Bowerbirds - Hymns for a dark horse
Dead Oceans / CargoVÖ: 11.07.2008
Naturschutzgebieter
Die Geschichte der Frau/Pferd-Vergleiche ist lang und absolut frei von Missverständnissen. Pferdegebiss, Pferdelachen, Pferdehintern: Wer sich erstmal in diese Richtung verrannt hat, muss für gewöhnlich davon ausgehen, dass der Abend gelaufen, das Date vorbei und auch sonst alles aus ist. Außer natürlich, man kann genauso gut mit den Worten wie Phil Moore, der Sänger der Bowerbirds aus Raleigh, North Carolina. "You're the hooves that lead me through the forest", textet der schon nach 70 Sekunden des Debütalbums seiner Band. Und dann noch: "You're the kindling still that burns below my heart." Paarhufer, Feuerholz - schöner sind die Metaphern fürs schöne Geschlecht lange nicht gewesen. Und was macht Moore dann? Singt diese Zeilen über seine Mama.
Aber sicher, es ist nur gut und richtig, dass die Songs auf "Hymns for a dark horse" zur Stunde Null beginnen und in der ersten Strophe ihres unfassbaren ersten Stücks von Moores schwerer Geburt erzählen, bei der es seine Mutter fast in zwei Stücke gerissen hätte. Die Bowerbirds wollen eben zurück zu den Ursprüngen; das gilt für die ureigenste Musikform Amerikas genauso wie für den naturnahen "Into the wild"-Lebensstil, den zuletzt schon Bon Iver auf seinem ersten Album "For Emma, forever ago" kultiviert hatte. Auf dem Weg dorthin leben Moore und seine Freundin Beth Tacular (Extralob dafür) jetzt zumindest schon mal in einem stillgelegten Wohnwagen irgendwo im Wald. Manchmal kommt der Geiger Mark Paulson vorbei, und dann geht da die Post ab ... not.
Stattdessen formiert sich die Musik der Bowerbirds aus heiliger Dreifaltigkeit von Gitarre, Akkordeon und Violine. "Hymns for a dark horse" ist ein rein akustisches Album, kommt meistens auch ohne richtiges Schlagzeug aus und klimpert lieber mit Schellenkränzen herum, während das Nötigste auf einer Tischplatte erledigt wird. Aus dieser Deckung heraus lassen sich Songs schreiben wie "Human hands", dem ein Klaviermann-Klavier untergejubelt wurde, das der Platte sofort jede Steifheit nimmt. "In our talons" kann dann eine hochkonzentrierte Version von Devendra Banhart nahelegen, "My oldest memory" in jung gebliebenen Altersweisheiten kramen und "The marbled godwit" mit seiner Krabbeltiergeige die Ungemütlichkeit dieser Musik gewährleisten. Es mag ja alles danach aussehen, aber "Hymns for a dark horse" ist sicherlich keine holzfällerhemdsärmlige Platte.
Moore ist zu sehr angeknackster Romantiker, um seine Band jemals ins Zünftige oder Rustikale abrutschen zu lassen. Selbst das sonst sehr gedämpfte "Olive hearts" übersteht seine kurzen Polkaflirts in unverrückbarer Würde, und wenn die Violinen aus "La denigracion" an filmreifer Dramatik kratzen, kommt natürlich nur Schwarz/Weiß oder Arthouse infrage. Es ist eben weniger die Kraft der Ruhe als die Unruhe der Kraftlosen, auf die sich "Hymns for a dark horse" stützen kann - ein Album, dem vom ersten Zupfer bis zum letzten Streicher gar nichts anderes übrig blieb, als gemacht zu werden. Die Leute werden sich lieber darauf stürzen, dass Tacular und Moore als nächstes ein ökologisch korrektes Al-Gore-Knusperhäuschen in ihren Wald bauen wollen. Letztlich ist das aber gut so, weil Bands wie die Bowerbirds immer auch an der Ungerechtigkeit ihres Schicksals wachsen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hooves
- In our talons
Tracklist
- Hooves
- In our talons
- Human hands
- Dark horse
- Bur oak
- My oldest memory
- The marbled godwit
- Slow down
- The Ticonderoga
- Olive hearts
- La denigracion
- Matchstick maker
Referenzen
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