Jakob Dylan - Seeing things
Columbia / Sony BMGVÖ: 27.06.2008
Im Namen des Vaters
Der Jakobsweg ist lang und beschwerlich, vor allem für Mauerblümchen. Während die Reisenden - auf dem Weg zur Erleuchtung oder in die Bestseller-Liste - an ihnen vorüberziehen, kommen sie einfach nicht vom Fleck. Bei den Wallflowers aus Los Angeles war das immerhin ein bisschen anders: Ihr 1996 veröffentlichtes Meisterwerk "Bringing down the horse" verkaufte sich vier Millionen Mal und heimste völlig zurecht zwei Grammys ein. Anschließend bewies die Band auf etwas unglückliche Art und Weise, dass sie jene Flexibilität besitzt, die ihren Artgenossen fehlt: Die Wallflowers machten einen großen Schritt zurück und zwei ziemlich egale Alben, erreichten 2005 mit "Rebel, sweetheart" aber doch noch ihr persönliches Santiago de Compostela. Auch wenn dort weder die ganz große musikalische Erleuchtung noch besonders rühmliche Chartplatzierungen warteten.
Die klassische Pilger-Erkenntnis kam Jakob Dylan allerdings erst ein Jahr später und vielleicht auch nur, weil seine Band plötzlich ohne Plattenvertrag dastand. Es ging nicht mehr bloß darum, alte Wege wiederzufinden, sondern darum, neue zu erschließen. Die Zeit war gekommen, sich auf das Wesentliche zu besinnen: ein Mann, eine Gitarre. Wie schon der Alte sang. Dylan unterschrieb gemäß der Familientradition bei Columbia und verschanzte sich mit dem Co-Chef des Labels, Rick Rubin, in dessen Heimstudio in den Hollywood Hills. Tatsächlich klingt "Seeing things" nun aber eher so, als hätte Rubin gerade den Müll rausgebracht, bei Starbucks ein Käffchen geschlürft oder seinen Zottelbart frisiert, während Dylan in aller Ruhe seine Songs aufnahm. Zehn Lieder, die in ihrer filigranen Naturbelassenheit an Tom Pettys fantastisches "Wildflowers"-Album erinnern - bei dessen Aufnahmen Produzent Rubin offenbar auch dann mal weg war.
Dylan hingegen ist unüberhörbar wieder da. Und zwar so, wie man ihn noch nicht kannte: Als reflektierter Storyteller mit delikaten Melodien, höchst spartanischer Instrumentierung und ganz ausgezeichneten Texten. Während er sich bei den Wallflowers vornehmlich der Poetisierung seiner eigenen Befindlichkeiten widmete, offenbart "Seeing things" reges Interesse am Weltgeschehen. "Valley of the low sun" und "War is kind" singen dem Pazifismus ein Ständchen und vermeiden erfolgreich jegliche Bitterkeit. Es ist Dylans hingebungsvolle, zaghaft angeraute Stimme, die es schafft, auch einen Protest-Song wie ein sanftes Schlaflied klingen zu lassen.
"All day and all night" hingegen wirkt äußerst ausgeschlafen und klopft mit einem rustikalen Blues dem Working-Class-Hero auf die Schulter. Am besten ist Dylan aber immer noch, wenn er leise Balladen zwischen seine Herzensdame und deren Zweifel webt; wenn er Sätze wie "My love is braver than you know" singt und die Westerngitarre liebkost - wie beim wunderbaren "Will it grow". Auch "Everybody pays as they go" und "This end of the telescope" zählen ganz klar zu dem Besten, was seit "Bringing down the horse" aus Dylans Feder geflossen ist. Das düstere "I told you I couldn't stop" zieht sich dann allerdings doch ein wenig, und auch der Sorglos-Americana der ersten Single "Something good this way comes" findet irgendwie seine Visitenkarte nicht. Der frohen Botschaft darf man indes ruhig Glauben schenken. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Jakob.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Valley of the low sun
- Everybody pays as they go
- Will it grow
- This end of the telescope
Tracklist
- Evil is alive and well
- Valley of the low sun
- All day and all night
- Everybody pays as they go
- Will it grow
- I told you I couldn't stop
- War is kind
- Something good this way comes
- On up the mountain
- This end of the telescope
Referenzen