Klimt 1918 - Just in case we'll never meet again (Soundtrack for the cassette generation)
Prophecy / SoulfoodVÖ: 20.06.2008
Auf Wiederhören
Dass Menschen sich gerne gegenseitig Musik vorspielen, ist ja nichts Neues. Doch statt die Festplatte mit den sämtlich legal erworbenen mp3-Dateien zu durchforsten und seinen Lieben im Handumdrehen einen Rohling mit schönen Liedern vollzupacken, kann man es sich auch schwerer machen, sich tagelang vor die Anlage setzen und in mühevoller Schnipselarbeit ein Mixtape aufnehmen. Auch wenn man dann drei Mal wieder von vorne anfangen muss, weil Übergänge versaut werden, die Aussteuerung hinten und vorne nicht stimmt, und ausgerechnet das letzte, wie die Faust aufs Auge passende Stück zehn Sekunden zu lang ist. Ausfaden? Im Leben nicht!
Da ist es nur konsequent, dass man das dritte Album der Italiener Klimt 1918 nicht nur als CD, sondern auch als Kassette kaufen kann. Denn oft klingt "Just in case we'll never meet again" wie aus einer prä-digitalen Zeitrechnung herübergeweht und entfernt sich noch weiter von den einst bevorzugten Stilrichtungen Metal und Dark Wave als der grandiose Vorgänger "Dopoguerra". Gitarrist Alessandro Pace ist inzwischen ausgestiegen, doch die üppigen Rocksongs mit dunkler Patina und die musikalische Rekapitulation zurückliegender Tage bleiben auch hier erhalten, so dass alles auf diesem Album mehr denn je von Abschied und Vergänglichkeit kündet. Gern aufgegriffene Motive übrigens auch bei Gruppen, die sich in letzter Zeit an Wave und Post-Punk der Achtziger Jahre orientierten. Na gut: bei Interpol oder den Editors.
Ganz in eine Reihe mit vergleichsweise leicht verdaulichen, abgedunkelten Indie-Bands sollte man Klimt 1918 deswegen aber noch lange nicht stellen. "Just in case we'll never meet again" verhält sich zu diesen nämlich immer noch wie Post-Rock zu Joy Division: Die Gitarrenmassive fahren in teils schwindelerregende Delay-Höhen und nehmen ihren Platz neben ewigen Melodien ein, die Songs rollen auf dicken Schlappen übers Minenfeld der Melancholie. Keine Spur von Knorrigkeit und skelettiertem Geschepper. Stattdessen Romantik und Sehnsucht in Schlips und Kragen, zu der Marco Söllner weder verstiegen knödelt noch pessimistisch grummelt, sondern eine derart glasklare Phrasierung in seinen Gesang legt, als wolle er dem Hörer in epischer Breite das Herz ausschütten. Und je länger dieses Album läuft, desto mehr wächst die Überzeugung, dass er genau das tatsächlich gerade tut.
Zumal sich "Just in case we'll never meet again" gerade zu Anfang offensichtlicher Eingängigkeit verweigert. Auf sofort erblühende Songs wie "They were wed by the sea" verzichten Klimt 1918 dieses Mal, sondern mahnen zunächst mit großzügig angelegten Soundwalzen zum konzentrierten Zuhören - bevor sich "Skygazer" oder das Titelstück zu weitschweifigen Wuchtbrummen mit ausgebreiteten Armen verpuppen, und ab der Hälfte auch mal ein paar schneller lösliche Stücke warten. Metal-Relikte blitzen allenfalls noch in pompösen Intros auf, der Rest ist Verzückung und stolz leidende Größe. Ein Album, das man sofort auf Tape überspielen und einer angebeteten Person mit den Worten: "Hättest du was dagegen, wenn wir uns nie wiedersehen?", in die Hand drücken möchte. Sie oder er wird spätestens nach "True love is the oldest fear" verstehen, warum. Die Kassette ist irgendwann Fratze, der "Ghost of a tape listener" aber bleibt genauso wie die Hoffnung auf etwas, das man noch nicht kennen kann. An end has a start - mit Autoreverse.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Skygazer
- Ghost of a tape listener
- Suspense music
- True love is the oldest fear
Tracklist
- The breathtaking days (Via lactea)
- Skygazer
- Ghost of a tape listener
- The graduate
- Just an interlude in your life
- Just in case we'll never meet again
- Suspense music
- Disco awayness
- Atget
- All summer long
- True love is the oldest fear
Im Forum kommentieren
Unangemeldeter
2021-11-09 14:20:15
Für das Album gibt's von mir auch viel Liebe. Für alle anderen der Band nur so halb. Das hier war für mich schon klar der Peak.
Der Wanderjunge Fridolin
2021-11-09 13:57:39
Liebe!
Tim.
2016-02-12 11:41:31
doch: 1918
8hor0
2016-02-12 11:31:35
Eine Jahreszahl wurde jedoch leider nicht erwähnt..
8hor0
2016-02-12 10:56:50
Nach Facebook Anfrage kam die Antwort: Es wird mit der VÖ vor dem Sommer gerechnet.
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