
Daedelus - Love to make music to
Ninja Tune / Rough TradeVÖ: 13.06.2008
Der Paradiesvogel
Schon ein seltsamer Typ, dieser Daedelus. Bei Liveauftritten klettert er mit Vorliebe in viktorianischen Kostümen auf die Bühne. Sein neues Album "Love to make music to" ist laut Infozettel vor über 100 Jahren entstanden und hat schon damals die Menschen derart in Entzückung versetzt, "that they scream, laugh, pull off their clothes [and] have sex with each other and themselves". Und soeben hat er mit einem Barack Obama gewidmeten Song seines Seitenprojekts Fire Magic Blood natürlich auch noch dazu beigetragen, dass dieser im Vorwahlduell über Hillary Clinton triumphieren konnte. In dem Stück schraubt Daedelus einen in Disco getränkten Housebeat an ein Sample der Isley Brothers, das schon Ice Cube für "It was a good day" verwendet hat, während einer seiner Kumpels dazu "Fuck what yo mama say / I'm a vote Obama way" rappt.
An Phantasie mangelt es Daedelus also offenbar nicht, wie auch seinen Platten anzumerken ist, auf denen er die unterschiedlichsten Stile zu einem bunten Cocktail verrührt. Auf "Love to make music to" kommen HipHop, House, Electropop, Leftfield, R'n'B, Funk, UK-Techno, Garage, Grime und die typischen Filmsamples ins Glas. Und wo man früher öfter mit einem dicken Schädel aufwachte, fühlt man sich jetzt eher wie im siebten Himmel. "Fair weather friends" trifft The Go! Team in Hochstimmung zum Chest Bump. "Make it so" winkt der Geliebten mit einem großen 80er-Synthiepop-Taschentuch zum Abschied, bis es von "Twist the kids" mit dumpf-dunklen Trommeln vom Bahnsteig gestoßen wird. "Get off your hihats" segelt auf fluffigen Beats und weiten Pianoschwingen dahin, wird aber von "Hrs:mins:secs" mit Wobbelbässen, Junglebreaks und Handyklingeln umgehend zwei Meter tief in den Boden gestampft.
Mächtig, sexy und dunkel bewegt sich "Touchtone" durch die Nacht, mit dem Grammy-prämierten Paperboy und Taz am Mic. So jagt auf "Love to make music to" ein Richtungswechsel den nächsten. Auf hell folgt dunkel, auf cheesy Flöten folgt derbes Wummern - manchmal auch alles in ein und demselben Song. "My beau" bietet astreinen Electro-R'n'B, "You're the one" unterlegt Soulvocals mit Filmmusik-Streichern, Bambi-Flöten und süßen Glockenspielen. Und in "Drummery jam" schließlich rutscht mit einem Mal ein Stück bleepender Acid-House in das unbeschwerte Pianoplinkern hinein.
Der Kosmos aus Einflüssen und Sounds ließe sich noch stundenlang beschreiben, ohne an ein Ende zu kommen. Der Gefahr, in selbstverliebtes, nerviges Nerdstertum abzudriften, die einer derartigen Ballung an durchgeknallten Ideen immer droht, kann "Love to make music to" allerdings souverän ausweichen. Nach ausreichendem Hören wirkt das Album trotz aller Hakenschläge organisch zusammengefügt und hat sogar einige kleinere Hits zu bieten. Und wenn es gut läuft, macht Daedelus demnächst Obama zum Präsidenten. Nicht schlecht für einen Paradiesvogel im Viktorianerkostüm.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Make it so (feat. Michael Johnson)
- Touchtone (feat. Paperboy and Taz)
- My beau (feat. Erika Rose and Paperboy)
- Drummery jam
Tracklist
- Fair weather friends
- Make it so (feat. Michael Johnson)
- Twist the kids (feat. N'fa)
- Get off your hihats
- Hrs:mins:secs
- Touchtone (feat. Paperboy and Taz)
- I car(ry) us
- I took two
- My beau (feat. Erika Rose and Paperboy)
- You're the one (feat. Om'mas Keith)
- Assembly lines
- Drummery jam
- Only for the heartstrings
- Bass in it (feat. Taz)
- If we should (feat. Laura Darlington)
Referenzen
Spotify
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- Daedelus - Bespoke (2 Beiträge / Letzter am 27.09.2011 - 15:01 Uhr)