James - Hey Ma

Mercury / Universal
VÖ: 06.06.2008
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Kriegsspielzeug

In sieben Jahren kann viel passieren. Auch im Musikbusiness. Alle paar Monate wird irgendetwas zum neuen heißen Scheiß ernannt, weswegen man als Band praktisch ständig Gefahr läuft, unversehens zum alten Eisen zu gehören, wenn man sich mal eine Auszeit gönnt. Andererseits war auch schon 2001 das letzte James-Studioalbum "Pleased to meet you" eine charmant aus der Zeit gefallene Angelegenheit. Berücksichtigt man zudem, dass die Mitglieder öfters dazu neigten, Meinungsverschiedenheiten mit den Fäusten auszutragen und Sänger Tim Booth vorübergehend ausstieg, um ein Soloalbum aufzunehmen und im Schauspielfach zu experimentieren, ist das vielleicht doch keine so lange Zeit zwischen zwei Platten. Zumindest nicht für altgediente Indie-Popper, die vor knapp 20 Jahren durchaus erfolgreich in die Rave-Szene geschlittert sind.

Aber natürlich kann es James auf ihrem inzwischen zehnten Album herzlich egal sein, dass mittlerweile etwas Einzug gehalten hat, das sich New Rave nennt. Von aktuellen Trends könnte jedenfalls auch "Hey Ma" nicht weiter entfernt sein und pflegt stattdessen ausgiebig die Kunst des verschwenderischen Popsongs mit allen Schikanen. Sehnsuchtsvolle Pianotropfen, Bläsersektionen in der ersten Reihe, Melodien, die die Welt umarmen, weil sie das bitter nötig hat. So rekapituliert das Titelstück etwa die Anschläge des 11. September und trauert um die Opfer der resultierenden Kriegshandlungen. James machen dabei vor allem gesanglich an der Stelle weiter, wo die Manic Street Preachers mit "Imperial bodybags" aufgehört haben - und räumen nebenbei noch mit der Mär von den 72 Jungfrauen auf. Keine bahnbrechende Themenstellung, aber bestimmt lohnender, als sich über das nach einem Revolver greifende Baby auf dem Cover zu empören, wie es unlängst in England flächendeckend der Fall war. Dass Humor manchmal die einzige Waffe sein kann, hat dort anscheinend nicht jeder begriffen.

Eine wichtigtuerische Platte mit erhobenem Zeigefinger ist "Hey Ma" trotz der zuweilen ernsten Themen aber zum Glück nicht. Wie Booth im sorgfältig herausgeschälten Refrain von "Bubbles" euphorisierend "I'm alive" jubiliert, klingt nach purer Lebensfreude statt nach Zweckoptimismus. Im angezerrten Groove des naturverbundenen Rumplers "Waterfall" hallen die alten Tage wider, als James mit ihrer Musik noch mehr auf den Tanzboden zielten. Und "Oh my heart" schüttet einem selbiges mit so schmissigem Drive und steil nach oben ragenden Gitarren aus, dass es vielleicht sogar für einen neuen Indie-Hit der alten Helden reicht. Wenn nicht, haben sie immer noch ein Album mit vielen guten Songs, wenigen Durchhängern und manchmal einer Kelle Pathos zu viel hinbekommen. Ob James letzteres bis zum nächsten Mal abstellen? Kommt Auszeit, kommt Rat.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Waterfall
  • Oh my heart
  • Whiteboy

Tracklist

  1. Bubbles
  2. Hey Ma
  3. Waterfall
  4. Oh my heart
  5. Boom boom
  6. Semaphore
  7. Upside
  8. Whiteboy
  9. 72
  10. Of monsters & heroes & men
  11. I wanna go home
Gesamtspielzeit: 46:18 min

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