
Electric President - Sleep well
Morr / IndigoVÖ: 06.06.2008
Aus der Mitte entspringt der Schluss
Indietronics? Irgendwie schon eine seltsame Spezies. Wo die versammelte Presse gerne von Genreclashs und Kaltschalendepression salbadert, da gewinnt der Hörer allzu schnell den Eindruck, als sei den verantwortlichen Musikern lediglich die Studiomiete zu teuer oder der Weg aus der Trutzburg zu unheimlich erschienen. Bei Ben Coopers und Alex Kanes Electric President sah die Sache allerdings stets etwas anders aus. Bereits auf ihrem Debüt interessierten sie sich auch zwischen 0 und 1 eher für eine Opulenz und Wärme im Sound, die das Kühlaggregat des Rechners sogleich in wehmütig kondensierenden Hot Spots wieder ausschwitzte. Auf dem Nachfolger gehen sie diesen Weg konsequenter als je zuvor. Beinahe erscheint es, als besitze "Sleep well" einen Kern, um den herum sämtliche Ideen versammelt werden und der sich zu den Rändern des Albums immer mehr ausfranst.
Denn eingeleitet von der mit Akustikgitarre und Glockenspiel dahingestreichelten Miniatur "Ether" geben Electric President auf den folgenden Liedern wirklich alles. Bis sie im ausgewiesenen Höhepunkt "Robophobia" finale Konsistenz finden. Selbst die unter federweichen Kummerkasten-Gitarren-Kissen alle Viere behaglich von sich streckende Synthie-Auslegeware "We will walk through walls" wird sofort von dessen schwammiger Maschinensprache absorbiert und pulverisiert. Aus einem tückischen Roboter-Zischeln, das mit seiner hinterhältigen Techtonik an Ken Freemans Tripods-Soundtrack erinnert, schälen Electric President ein mehr und mehr zum Analogen strebendes Sci-Fi-Musical, das mit Vogelzwitscher-Breaks zwischenzeitlich gar im trüb Naturalistischen fischt. Wenn dann der stets flüsternde und lispelnde Gesang Coopers insistiert: "This is not a joke, my boy / They'll come for our heads", so funktioniert das einmal mehr als verschwörungstheoretischer Effekt, der alles Umstehende sofort als Gesinnungsgenosse und Geheimnisträger vereinnahmt. Um sich darauf bitterböse zu verabschieden: "I heard a knock on the door / But there was no answer / I peaked through the crack / And the hand pulled me through / They dragged me outside then / You tried to stop them / There were too many / You did what you could."
Morbide Zukunftsvision oder doch nur ein Metapher-Springbrunnen für den Beziehungs-Abschiedsschmerz? Schwer zu entscheiden, doch der Hörer rückt unmerklich ganz nahe heran und lauscht aufmerksam, hält beinahe den Atem an. Kann das Rätsel auch nicht lösen, nickt aber doch bedächtig. Er ist Teil von etwas. Er wurde eingeweiht. Scheißegal, worin genau. Auch die im Herzschmerz-Shuffle vereinten "It's like a heartbeat, only it isn't" und "Lullaby" bündeln sich in immer dichteren Korsetts. Irgendwo ganz weit hinten achteln Interpol- und U2-Sechssaiter vor sich hin, bis alles zu einer hyperbolischen Electro-Rock-Oper explodiert, die darauf von Akustikgitarren zu Ende gebracht wird. Zu den wärmenden Funkbässen von "Adrift in space, or whatever" werden die Ideen dann wieder spleeniger, aber kaum weniger einnehmend. So macht "When it's black" final noch mal echt hymnischen Krach. Dennoch entscheidet sich die Güte von "Sleep well" letztlich nach der Gravitation seines Kerns. Kraft bezieht das Album aus seiner Mitte. Und wird so, frei nach Walter Moers, eher breit als lang. Alles andere steht mittenmang.
Highlights & Tracklist
Highlights
- It's like a heartbeat, only it isn't
- Robophobia
- When it's black
Tracklist
- Monsters
- Bright mouths
- We will walk through walls
- Graves and the infinite arm
- Ether
- It's like a heartbeat, only it isn't
- Robophobia
- Lullaby
- All the bones
- Adrift in space, or whatever
- It's an ugly life
- When it's black
Im Forum kommentieren
Bonanza
2009-09-08 14:11:42
Muss ich mal wieder hören.
Und Radical Face sollte man auch nicht vergessen.
musie
2009-09-08 14:05:35
hab dieses wunderbare album neu entdeckt, was für eine herbstperle!
solea
2009-06-20 17:48:24
ich konnte mich bisher mit der zweiten Scheibe auch gar nicht richtig anfreunden. Ich glaube die zwei hätten besser wieder zu Haus im Wohnzimmer produziert
SvK
2009-06-20 15:33:24
bonanza trifft den nagel auf den kopf.
Bonanza
2009-06-19 19:07:44
*hochhol*
Das Debüt war um Welten besser. "Sleep Well" tönt dagegen ziemlich belanglos.
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