A.Human - Third hand prophecy

Wall Of Sound / PIAS / Rough Trade
VÖ: 23.05.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Irre sind menschlich

Imaginäre Personen haben es nicht leicht. Dauernd reißt irgendjemand halbgare Witze über sie. Marta Pfahl kennt den Schmerz, und auch Rainer Zufall und Axel Schweiß ist das Lachen lange vergangen. Bei dem Londoner Sextett A.Human liegt der Fall allerdings anders: Die Band heißt zwar wie ein ausgedachtes Individuum, doch ihre Mitglieder existieren immerhin real und hören allesamt auf den Beinamen "Human". Motto: Hier bin ich Mensch. Aber dürfen sie es auch sein? Zumindest einer darf. Der nennt sich Dave Human, kennt schmierlappige Nächte in abgeranzten Wohnklos bestimmt nicht nur aus Soft-Cell-Songs und ist psychotisch talentierter Sänger und Anführer dieser elektronischen Rumpelkapelle. Nur darüber, wohin er diese führt, darf gerne spekuliert werden. In den Untergang? In längst verdrängte New-Romantic-Abgründe? Oder doch nur in den nächstbesten schummrigen Club, in dem die britische Tanzmusik der letzten 25 Jahre aufgearbeitet wird?

Sollte Letzteres zutreffen, sind A.Human dort jedenfalls hervorragend aufgehoben. Die Post-Punk-Energie wummert, wird von kokelnden Keyboardflächen umwölkt, während diskret nervende Gitarren den Schorf von seelischen Wunden kratzen, die Produzent Tim Holmes (Death In Vegas) allenfalls notdürftig zu versorgen in der Lage ist. Und schon bekommt man eine Ahnung, was hätte passieren können, wenn die Happy Mondays keine rüpelhaften Rock-Tanzbären, sondern irre Dandys gewesen wären, die dafür aber richtig was von Musik verstehen. Dann wäre ihnen nämlich unter Umständen eine so phänomenale Single wie "Black moon" geglückt, die mit schiebendem Basslauf und Synthi-Feuerwalze alles im Umkreis von hundert Metern rhythmisch zu verschlucken droht und dazu eine halbseidene Horrorstory über Liebe, Gier und Teufelspakte inszeniert. So spannend und unausweichlich wie die Filme, bei denen man im Kino die Rückenlehne der nächsten Sitzreihe anknabbern möchte, aber dann auch so trivial und unwirklich, dass man nach dem spukigen Vergnügen beruhigt nach Hause gehen kann. Kurz gesagt: der Stoff, aus dem dramatische Pop-Hits sind.

Doch es geht bei A.Human auch weniger realitätsfern zu: "Post post modern anxiety blues" ist ein klaustrophobischer Großstadt-Song über die Angst vor Terroranschlägen, die in der U-Bahn neben einem sitzt. "The fraudulent truth of an office worker" bricht den Zynismus von Depeche Modes "Everything counts" auf einen gesichtslosen, korrupten Anzugträger herunter. Und über die betont lockere Version von Americas "A horse with no name" kann man sich zwar freuen, sollte aber vorsichtshalber im Hinterkopf behalten, dass "horse" auch ein Slangausdruck für Heroin sein kann. Wie überhaupt auf diesem Album vieles anders ist, als es zunächst scheint. Vielleicht gibt es die in Aussicht gestellte Verheißung aus dritter Hand sogar für ein paar Cent am Hostienautomaten hinterm Bahnhof. Dumm nur, dass das nötige Kleingeld schon für andere Sachen draufgegangen ist. Sie verstehen? Dennis Klar.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Black moon
  • Pacey singer
  • Golden mile

Tracklist

  1. Third hand prophecy
  2. Black moon
  3. The fraudulent truth of an office worker
  4. Pacey singer
  5. Post post modern anxiety blues
  6. Horse with no name
  7. Come death and welcome
  8. Bedsit on fire
  9. Golden mile
  10. Why do I try
  11. Sun will rise
Gesamtspielzeit: 47:39 min