Death Cab For Cutie - Narrow stairs
Atlantic / WarnerVÖ: 16.05.2008
Die Campus Evasion
Ach, Death Cab For Cutie - wie oft schon der Blick von ihren Melodien in den dunklen Nachthimmel getragen wurde. Wie viele Tränchen man zu den schwermütigen Geschichten der sechs Jungs verdrückt hat. Und wie unversehrt ihre zuckersüßen Lieder einen immer wieder durch die Widrigkeiten des Alltags bringen konnten. Auch der plötzliche Rummel infolge der Lobpreisungen in der Serie O.C., California oder das etwas blasierte, Grammy-nominierte Majordebut "Plans" änderten daran wenig. Ob dies aber auch mit ihrem nun sechsten Album "Narrow stairs" so bleiben wird?
Ben Gibbard und die Seinen scheinen diesmal den eigenen Anspruch an ihr Schaffen etwas höher gelegt zu haben. Gleich zum Opener "Bixby canyon bridge" schleichen sich die Musiker zwar mit bekannter Sänfte fast unbemerkt in die Szene, lassen dann jedoch zur Hälfte des Songs die große Seltsamkeit von der Leine: Stakkato Gitarren, entschlossene Drums und ein übersteuertes Summen, das sich in einem sphärischen Feuerwerk entzündet. Was war das? Verschütteter Kräutertee über den Reglern? Magischer Prog-Rock? Auch der folgende Song, die Single "I will possess your heart", verdutzt erstmal. Geschlagene vier Minuten trödelt das Stück in nebulöser Schleife vor sich hin, bevor Gesang und Strophenformat das ganze doch noch zu einem gewöhnlichen - aber nur mauen - Popsong zusammenpappen.
Man könnte bewusste, bohemehafte Sperrigkeit gegenüber den Regeln der Radiowelt vermuten oder auch nur einfach - böswilligerweise - Einfallslosigkeit unterstellen. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Band mit dem Erfolg der letzten Jahre im Rücken etwas Reife beweisen will. Hey, wir können mehr als stets nur die Träume Heranwachsender beschallen! Bye Bye College also und: Hallo Vernissage? Nein, ganz so nicht, denn das sprunghafte "No sunlight" entpuppt sich beispielsweise als einfach gehaltenes Kleinod über das einst gehabte, aber im Älterwerden verlorene Glück. Auch die reduzierten Songs "Talking bird" und "The ice is getting thinner" nehmen in ihrer schwer lastenden Stille schnell gefangen.
Als exemplarisch können diese Lieder aber nicht gelten - in "You can do better than me" leben Death Cab For Cutie wieder einmal ihre Vorliebe für versüßte Sixties-Songs aus, versickern diesmal jedoch in weihnachtlichem Kitsch. "Grapevine fires" dagegen schaukelt in wärmende Geborgenheit, und das beschauliche "Your new twin sized bed" schlummert in seiner Wattigkeit dahin. Viel versucht, aber sich etwas verloren, lässt das einen denken. Die glatte, umfassende Instrumentierung wirkt in ihrer Abgeklärtheit ambitioniert, doch so ganz nimmt man den Jungs den weisen Songwriter nicht ab, so eingängig auch große Strecken des Albums wieder geworden sind.
Die im Vorfeld angekündigte Rauheit zeigt sich dagegen kaum, höchstens noch im epischen Indierocker "Cath...", der aber in seiner kühlen Monotonie etwas befremdet. Oder auch beim New-Age-haften, von Ethno-Trommeln umspielten "Pity and fear". "Long division" erinnert an die ungestümen früheren Alben wie "Something about airplanes", überraschende, schrille New-Wave-Effekte setzen die Schlussakkorde. Vielleicht mag ja ein folgendes Album einige der angedeuteten Richtungen konsequenter einschlagen. Doch auf "Narrow stairs" kann selbst die glatte Produktion etwas Ratlosigkeit nicht übertünchen. Vielleicht sollte man die Jungs daher doch besser noch einmal zurück auf den Campus schicken. Denn so schlecht war es dort ja schließlich auch nicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- No sunlight
- Talking bird
- The ice is getting thinner
Tracklist
- Bixby canyon bridge
- I will possess your heart
- No sunlight
- Cath...
- Talking bird
- You can do better than me
- Grapevine fires
- Your new twin sized bed
- Long division
- Pity and fear
- The ice is getting thinner
Im Forum kommentieren
Huhn vom Hof
2023-09-22 15:10:46
fakeboy
21.09.2023 - 23:16 Uhr
Album 8/10
I will possess your heart 11/10
*unterschreib*
Gomes21
2023-09-22 14:44:56
Ich finde kein Album außer Transatlanticism wirklich großartig, aber auf jedem ist für mich was schönes dabei. Deshalb hab ich auch nen positiven Blick auf die Diskografie, höre aber selten Alben durch.
jo
2023-09-22 14:25:53
Für mich haben sie stets gut abgeliefert. Würde kein Album missen wollen. Auch wenn teilweise die EPs danach auch besonders stark waren...
Wie bei den meisten (alternden) Sängern hat auch Bens Stimme etwas für mich verloren, was wohl zuletzt auf der Narrow Stairs noch da war, wie eben in der Bridge von Grapevine Fires.
Das kann man hingegen klar verneinen, da er das ja live alles noch abliefert wie zuvor. Er scheint "nur" anders zu schreiben, mittlerweile, da ich auch weiß, was gemeint ist.
Blanket_Skies
2023-09-22 12:18:34
Eigentlich haben sie bis auf die Thank You for Today immer gut (für mich) abgeliefert. Ich hatte damals schon befürchtet, nach Chris Wallas Ausstieg würde es steil bergab gehen, aber mit der Asphalt Meadows haben sie eindeutig die Kurve gekriegt.
Wie bei den meisten (alternden) Sängern hat auch Bens Stimme etwas für mich verloren, was wohl zuletzt auf der Narrow Stairs noch da war, wie eben in der Bridge von Grapevine Fires.
hideout
2023-09-21 23:38:06
Find die 6/10 viel zu wenig für das Album
Ja, aber so ist es auch auf Augenhöhe mit "Vespertine" und "()". Bleibt aber chancenlos gegen das Reamonn Smash Hit Masterpiuece.
Was soll's, ich liebe Cath.
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