Booka Shade - The sun & the neon light
Get Physical / Rough TradeVÖ: 23.05.2008
Nach draußen
Neuer Auszug aus dem großen Buch der unsinnigen Vorurteile über elektronische Musik: Techno, House, IDM und etc. sind Drinnen-Musik. Gemacht von Menschen, die schon im Licht ihres Laptop-Displays unter akuter Sonnenbrandgefahr leiden. Gehört von Leuten in dunklen Kellerlöchern, die höchstens vor die Tür gehen, wenn sich zwei prügeln wollen. Kann man ja mal drüber nachdenken, fanden Booka Shade aus Berlin, die diesen vermeintlichen Vampirmenschen vor zwei Jahren das ausgezeichnete Clubalbum "Movements" zum Spielen gaben. Ihre neue Platte bewegt sich deshalb weg von der bisherigen Zielgruppe und erforscht die Ausdrucksmöglichkeiten elektronischer Musik abseits der Tanzflächen. Seit 1995 waren Booka Shade praktisch überall, wo Menschen sich bewegt haben – jetzt wollen sie nach draußen.
"The sun & the neon light" trägt den Ton und Thema angebenden Gegensatz schon im Titel: Es geht um Kontraste zwischen Synthetischem und Organischem und alles, worauf sie sich übertragen lassen. Auch die musikalische Übersetzung dieser Ideen führt folgerichtig Dinge zusammen, die anderswo streng voneinander abgeschirmt werden. Booka Shade haben für "Outskirts" großzügige Streicher des deutschen Filmorchesters arrangiert, in "Solo city" mit Folkpicking, Klavier und verwischten Vocals ihre eigene Idee von Electro-Soft-Rock umgesetzt und irgendwo unter "Dusty boots" eine Westerngitarre eingegraben. Ihr Einfallsreichtum in Sound und Songgestaltung ist aber auch dann bemerkenswert, wenn man sich nur auf die Beats, Loops und sonstigen Geräusche konzentriert, die natürlich doch wieder aus dem Computer kommen.
Erstaunlich kann man dann eigentlich nur noch finden, wie Booka Shade es bei diesem Ansatz geschafft haben, ein fast schon übertrieben homogenes Album zu machen. "The sun & the neon light" ist sehr gekonnt und immer im Reinen mit sich; um diese Platte ins Schlingern zu bringen, muss schon der gemeine Beat der ewig pumpenden Orgelabfahrt "Control me" aus der Bahn fliegen. Booka Shade brauchen kaum fünf Sekunden, um sich darauf ein- und die alte Ordnung wiederherzustellen. Sogar wenn sie ihr letztes bisschen Klaustrophobie abschütteln und mit vier offensiven Tracks Vocal-Neuland betreten, funktionieren sie weiterhin reibungslos.
Erst wenn sich "Redemption" und sein Mörderbass in quälender Langsamkeit auf inside out stülpen, die Midi-2.0-Fanfaren aus "Planetary" von undefinierbaren Quertreibersounds ausgebremst werden oder der Trance-Baukasten von "Charlotte" selbstständig wird, kann man das Gefühl haben, die Musik erlange auf "The sun & the neon light" auch mal die Kontrolle über ihre Schöpfer. "I never said I was true", singen die in einem weiteren lichten Moment durch ein Dickicht aus Effektgeräten hindurch – und selbst wenn sie hier so unentschlossen tun, ist ihnen höchstens anzukreiden, dass ihr Album zu genau weiß, wo es hin will. Nicht der schlechteste Vorwurf, den man einer Platte machen kann.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Control me
- Redemption
- Planetary
Tracklist
- Outskirts
- Duke
- Dusty boots
- Control me
- Solo city
- Redemption
- Charlotte
- The sun & the neon light
- Sweet lies
- Karma car
- Psychameleon
- Planetary
- Comacabana
- You don't know what you mean to me (J's lullaby)
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got
2008-08-16 15:37:25
hört mal in ihre alten trance-stücke auf diversen dream dance compilations rein.
knaTTerton
2008-08-16 13:19:40
Mich würde ja interessieren, welche Note Dän beim Vorgänger gezückt hätte, der ja traurigerweise nicht rezensiert wurde.
Harald
2008-05-21 18:57:34
Oh, ich habe es mit einem ausgewiesenen Burial-Kenner zu tun. Das konnte ich natürlich nicht wissen. Ich bitte ergebenst um Verzeihung, Euer Hoheit.
P.S. Um mir ein Urteil darüber zu bilden, ob die neue Booka Shade etwas mit Burial zu tun hat oder nicht, und zwar musikalisch wie produktionstechnisch, reicht es m.E. völlig aus, bei MySpace reinzuhören. Das sind schließlich keine Unterschiede, die derart im Detail liegen, dass sie nur über Originaltonträger zu hören wären.
musie
2008-05-21 13:51:42
wer beim hören von outskirts keinen bezug zu burial herstellen kann, der kennt sich nicht besonders aus betreffend burial. ist ja auch ok, muss man nicht.
wenn ich lese "im stream auf myspace"... brr. bitte nicht im stream. und nicht auf myspace.
stativision
2008-05-20 00:26:32
die flächigen synths in outskirts erinnern n bisschen an burial.
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