Üebermutter - Unheil!

Roadrunner / Universal
VÖ: 04.04.2008
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Mama Miracoli

Armes Abendland! Wöchentlich gehst du unter, nur die Vorboten der Apokalypse werden von den geschmacksfesten Apologeten immer verschieden erkannt. Aktueller Aufreger: (Post-)Feminismus in all seinen Facetten. Was in der Literatur in Charlotte Roches zauberhaftem Fäkal-Pamphlet gipfelt und Lady Bitch Ray im Fernsehen (über-)treibt, übernimmt Lucy van Org für die Musikwelt. Früher ein glückliches "Mädchen" bei Lucilectric, ist die Berliner Frontschnauze mittlerweile zur biestigen Üebermutter gereift und überzieht mit ihrer weiblichen Backing Band inklusive Quotensklave an der Gitarre heute die Republik mit ihrem FeMetal. Das Ganze klingt dann ungefähr, als wäre eine schwer feministische Nina Hagen nach der letzten Ufo-Entführung bei Rammstein eingestiegen und würde nun irgendwo zwischen uniformiertem weiblichen Drill-Sergeant und Lack-Domina auf Teufel komm raus die Neue Deutsche Härte rauf und runter imitieren.

Schon ab der ersten Sekunde holpert und stolpert Mutti van Org durch textliche Absurditäten voller rrrrollender Konsonanten, vergessener altdeutscher Begrifflichkeiten und martialischer Metaphorik. "Ich rufe Dich bei Deinem Namen / Du seist erwählt, mich zu besamen", dröhnt sie in "Gebäermaschine". Oder: "Als ich noch ein Mädchen war, zum Zopf gebunden war mein Haar / Da schien die Welt gar finsterlich, und böse Schatten jagten mich." Völkische Rhetorik, christliche Indoktrination, Mutter-Erotik und blanker Unsinn geben sich die Klinke in die Hand, während ein abgegriffenes Rammstein-Riff das nächste mitleiderregende Keyboard jagt. Nur zur Sicherheit schnell noch die Gebrauchsanweisung beigelegt: Das alles ist sehr, sehr lustig, nämlich Brachial-Satire.

Zweifellos muss man jedem, der diese hundertfach überzogene Karikatur der Schnittmengen von Eva Hitl... Quatsch ... Hermann, Rammstein und dem Papst wirklich ernst nehmen möchte, akute Humorlosigkeit unterstellen. Denn wenn einen Dämonen-Domina Lucy in "Unheil!" zum Stumpf-Beat fragt, ob man das totale Lied wolle, nötigt einem das in seiner Geschmacksignoranz so massive Fremdscham auf, dass jedes Potenzial verloren geht, diese Musik kontextlos und unhinterfragt zu verreißen. Durch all die Holzhammer-Symbolik und die Ironisierung des Testosteron-Patriarchats tritt tatsächlich bissige Kritik an anti-emanzipatorischen Tendenzen und flauschigem Biedermeiertum zu Tage, die heuer durchaus angebracht scheint, wo "Heim und Herd" den Frauen wieder als erstrebenswerter Lebensinhalt angepriesen wird.

Wer nur die Musik von Üebermutter betrachtet, darf also zurecht wie ein Rohrspatz über ein popakademisch designtes Billigimitat von ohnehin nicht besonders gehaltvollen Vorbildern schimpfen. Eine hemmungslose Überzeichnung wie "Unheil!" hätte mit guter Musik aber niemals funktioniert. Natürlich muss man auch diese Form des intelligenten Feminismus ertragen können, um damit Spaß zu haben; wer hier aber einfach instinktiv drauf schlägt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, oberflächlich und eindimensional an Musik heranzugehen und letztlich nur in die Empörungsfalle der Musiker zu tappen, die sich zuhause ob der banalen Provokation ins stählerne Fäustchen lachen. "Unheil!" amüsiert, provoziert, enerviert kurz - und ist bald danach eh wieder völlig egal. Auf zum nächsten Skandal, Retter des Abendlandes!

(Dennis Drögemüller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Heim und Herd
  • Wein' mir ein Meer

Tracklist

  1. Mäedchen TeilZwo
  2. Mutterherz
  3. Heim und Herd
  4. Am Anfang war das Weib
  5. Wein' mir ein Meer
  6. Brenne!
  7. Gebäermaschine
  8. Liebe ist Schmerz
  9. Krieg!
  10. Ruhe sanft
  11. Unheil!
Gesamtspielzeit: 44:11 min