Matmos - Supreme balloon

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 09.05.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Gameboys

Man muss ja nicht immer gleich alles glauben, nur weil es die Wahrheit ist, aber bei Matmos darf da ruhig mal eine Ausnahme gemacht werden. Vor zwei Jahren dachten sich Drew Daniel und M.C. Schmidt das Konzept des "Sound portraits" aus und spielten auf seiner Grundlage ein Album ein, das überwiegend aus den gesampelten Geräuschen von Pferden, Kühen, Rasierapparaten, Schreibmaschinen, Handfeuerwaffen und sportlicher Selbstverstümmelung bestand. Erstaunlicherweise wurde "The rose has teeth in the mouth of the beast" dabei zum musikalischen Äquivalent einer Fußballer-Biografie (sehr hirnrissig, sehr lustig) - und Matmos blieb gar nichts anderes mehr übrig, als sich diesmal ein Stück weit zusammenzureißen. "Supreme balloon" trägt nicht nur einen ökonomischeren Titel als sein Vorgänger, es ist auch sonst sehr kostengünstig entstanden. Matmos haben sich auf einige einfache Regeln beschränkt, keine Mikrofone oder Samples verwendet und das ganze Album mit einem Fuhrpark aus Synthesizern aufgenommen, gegen den Snoop Doggs nächste Autoshow wie das Jahrestreffen der Wartburg-Fahrer von Wanne-Eickel e.V. aussieht. Ein quasi traditioneller Ansatz für sie, und ein weiterer Schritt zum Dachschaden für alle anderen.

Über den Zustand von Matmos selbst lassen sich schon lange keine sinnvollen Prognosen mehr machen; immerhin müssen Schmidt und Daniel so weit beieinander sein, dass Letzterer eine Stelle als Englischprofessor in Baltimore annehmen konnte. Dort leben jetzt beide und treffen sich zwischen zwei Proseminaren, um ihrer wahren Bestimmung nachzugehen: dem Finden und Erfinden von Geräuschen. Auch "Supreme balloon" bringt sie da wieder einige Kilometer vorwärts - und vergisst trotzdem nicht das einzige Gesetz, das bei dieser Band ungeschrieben bleibt: Das Konzept darf niemals dem Spaß im Weg stehen. Bei allen avantgardistischen Musikströmungen, zu denen sich Matmos zählen ließen, bleiben sie doch immer und in erster Linie Unterhaltungselektroniker. Der Humor ist dementsprechend auch auf ihrer neuen Platte wieder überragend, der Sinn des Sinnlosen ein tragender Baustein. Dass in "Exciter lamp and the variable band" zwischendurch die kanadische Nationalhymne auf einem Gameboy nachkomponiert wird, bildet man sich hingegen nur ein. Echt jetzt.

Die größere Leistung des Tracks ist ohnehin, wie er das Album dreidimensional, seine Töne greifbar und überstrapazierte Hörerhirne willenlos macht. Keine Ahnung, was Matmos da ausgefressen haben, sie klemmen sich in der Folgezeit jedenfalls pflichtbewusst dahinter, jagen einem die Sounds nur so durch den Schädel und krönen sich schließlich selbst mit dem Titelstück ihres siebten Albums und einer Sitcom-Folge für sich, die alles über den Haufen wirft, was "Supreme balloon" zuvor hochgezogen hatte. Das Vertrauen in größtmögliche Effizienz und Bewegungstherapien auf engstem Raum, die Hektik, der Wahnsinn und das Fluten jeder folgewilligen Wahrnehmung - verschluckt von einem abenteuerlichen, 24-minütigen Ambient-Techno-Krautrock-8-Bit-Geburtstagslied, zu dem sich die Super Mario Brothers gerne mal kreuzweise rannehmen würden. Schwer zu sagen, ob es der Platte gut getan hätte, wenn sie mehreren ihrer Ideen so viel Zeit zur hinterhältigen Entwicklung gegeben hätte. Schwer genug, überhaupt etwas zu sagen. Matmos-Platten sind deshalb schon immer streng instrumental gewesen - oder es dauert einfach noch ein paar Jahre, bis ihre eigene Computersprache fertig programmiert ist, in der sie uns dann usbekische Volkswaisen und die größten Hits von Rex Gildo vorsingen. Hossa.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Polychords
  • Exciter lamp and the variable band
  • Supreme balloon

Tracklist

  1. Rainbow flag
  2. Polychords
  3. Mister Mouth
  4. Exciter lamp and the variable band
  5. Les folies Francaises
  6. Supreme balloon
  7. Cloudhoppers
Gesamtspielzeit: 59:21 min

Im Forum kommentieren

humbert humbert

2013-02-21 23:46:17

Nach dem 10/10 Meisterwerk 'Treasure State', zusammen mit So Percussion aufgenommen, erscheint morgen das neue Album, was mit Hilfe von Gedankenübertragung aufgenommen worden ist. Vorab-EP war jedenfalls schon super.

humbert humbert

2008-06-24 23:38:35

Schon Ok, aber die letzten drei Alben fand ich doch um einiges besser und abwechlungsreicher. Viele Lieder erinnern mich zu sehr nach Daniels Soloprojekt Soft Pink Truth und noch mehr an die 70er Jahre Band Tonto's Expanding Head Band bzw. manche Lieder hätten GENAUSO auf deren Album Zero Times erschienen können. Supreme Balloon ist für mich ein Schritt nach hinten.

Und die Albumkritik im neuen Musikexpress ist schrott.

The MACHINA of God

2008-05-15 17:30:00

Zu wenig Beanchtung für diese lustige Truppe.

Paul Paul

2008-05-12 19:47:48

Referenzen:
Mario; Luigi; Bowser; Wario; Princess Peach; Princess Daisy; Donkey Kong; Yoshi; Boo;


hahaha

humbert humbert

2008-05-12 18:58:39

Neben Wilco die beste amerikanische Band.

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