Florian Horwath - Sleepyhead

Roof / Indigo
VÖ: 18.04.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der Gemütsskandinavier

Die Straßen Wiens sollten darauf gefasst sein, dass Florian Horwath mit einem Tandemrad unterwegs sein könnte. Unterwegs in ein Kaffeehaus, wo er an einem Tisch für zwei Platz nehmen und genüsslich eine Mélange aus entrücktem Folkpop und karminrot marmorierten Opulenzen schlürfen würde. Einen Auftritt als einsamer Regenflaneur würde Horwath stets mit zwei Schirmen absolvieren, Türen auch dann galant aufhalten, wenn hinter ihm niemand zu sehen wäre und als Alleinreisender grundsätzlich ein Doppelzimmer buchen. Die Seelenklempner Wiens dürfen trotzdem nicht darauf hoffen, dass Horwath demnächst auf ihrer roten Couch, Zweisitzer natürlich, hockt - auch wenn er in der Phil-Spector-Schichttorte "The great destroyer" mit zuckersüßem Unterton "Tom Sawyer" auf "paranoia" reimt. Er hat einen völlig gesunden Verstand und ein ebenso gesundes Verständnis von Beziehungen, vor allem von jener zwischen Song und Songwriter: Man muss sich gegenseitig genug Raum geben. Erst recht, wenn man sich nahe ist.

Konsequenterweise wurde der Nachfolger des hochgelobten Debüts "We are all gold" in einer leerstehenden Altbauwohnung komponiert - das Oberstübchen kann sich ohne Möblierung sowieso viel besser konzentrieren. Ganz ohne Interieur ging es dann aber doch nicht: Klavier, Gitarre, Tisch und Stuhl bekamen ein Wohnrecht auf Zeit und die Tongemeinschaft wuchs allmählich weiter. Innerhalb von drei Monaten zogen zwölf Stücke mit Sack und Pack ein und verpassten "Sleepyhead" einen überaus nuancenreichen Anstrich: Hier ein florales Muster aus den Sechzigern, da eine Wall Of Sound mit vergoldeten Stuckleisten, dort eine Fototapete mit den besten Cliffhangern und Happy Ends aus 35 Jahren Florian Horwath.

Seinen Ruf als Gemütsskandinavier, wie auch seinen Beruf als Modedesigner, pflegt der Österreicher voller Hingabe. "We're all from Scandinavia" skandiert er gleich zu Beginn, beweist ein sicheres Händchen für die edelsten Stoffe und hat sogar zwei Strickjacken dazu überreden können, ein bisschen in seinem Atelier herumzuhängen: Mit der nach wie vor zauberhaften Nina Persson singt er das saxophonumschmeichelte "Baby you got me wrong", Cardigans-Bassist Magnus Sveningsson ist mittlerweile sogar festes Mitglied seiner Band, und die Aufnahmen zu "Sleepyhead" fanden selbstverständlich in der ländlichen Idylle Schwedens statt - dort, wo sich Kleiner Onkel und Herr Nilsson gute Nacht sagen.

In der Villa Kunterbunt würde sich das hochgradig ironisch betitelte "Dad you have faith in me, and yes, I love you" mit Sicherheit auch heimisch fühlen. Trillerpfeife und diverses Samba-Rambazamba ignorieren die gut gemeinte Skepsis von Horwath senior, der seinem Sohnemann nahe legt, sich endlich einen anständigen Job zu suchen: "There's a hole in the sky / For all the talents that never made it". Immerhin hat der Junge sein Jura-Studium abgeschlossen und macht nun von seinem guten Recht Gebrauch, sich künstlerisch zu entfalten, wie eine, äh, schillernde Pfauenschleppe. Vom minimalistischen "Yeah yeah yeah yeah", über die exquisite Fusion von Marimba und fernöstlichen Streichern im zwielichtigen "Trailerpark" - bis hin zum fluffigen Sixties-Pop von "Waiting for the rain". Horwath weiß, wie man elegant ein Rad schlägt. Wahrscheinlich hat er sogar ein Tandemrad drauf. Die Straßen Wiens sollten jedenfalls darauf gefasst sein.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Baby you got me wrong (with Nina Persson)
  • Dad you have faith in me, and yes, I love you
  • Trailerpark
  • The great destroyer

Tracklist

  1. Scandinavia
  2. Baby you got me wrong (with Nina Persson)
  3. Dad you have faith in me, and yes, I love you
  4. Yeah yeah yeah yeah
  5. Sleepyhead
  6. Trailerpark
  7. Waiting for the rain
  8. The river
  9. The great destroyer
  10. Oh if I could only
  11. Underneath the wind
  12. Because I love you
  13. Baby you got me wrong
Gesamtspielzeit: 47:52 min

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