
Caesars - Strawberry weed
Dolores / Virgin / EMIVÖ: 25.04.2008
Die Minutenwalzer
Es gibt Dinge, von denen man annehmen sollte, dass sie eigentlich gar nicht existieren. Das erdbeerhaltige Gras zum Beispiel, das dieser Platte ihren Titel gibt. Aber da sollte man ein abschließendes Urteil doch eher den Caesars überlassen. Vielleicht wissen die ja mehr als wir, was bei ihrem psychoaktiven Garagenrock durchaus denkbar wäre. Aber ein Doppelalbum, ein weit ausholendes musikalisches Ungetüm von einer Band, deren Songs bisher nur gelegentlich die 3-Minuten-Grenze sprengten? Das hätte man noch vor kurzem ins Reich der Phantasie verwiesen. Doch bevor irgendjemand auf die Idee kommt, die Schweden könnten sich auf ihren Tantiemen aus der iPod-Werbung ausruhen, machen sie lieber ein besonders großes Fass auf. Liegt mit "Strawberry weed" nun also das "Blonde on blonde" der Caesars vor? Oder wenigstens ihr "Mellon Collie and the infinite sadness", um mal ein paar Etagen tiefer zu stapeln?
Die einigermaßen beruhigende Antwort lautet: Nein. "Strawberry weed" ist mit 24 Stücken (die, nebenbei bemerkt, auch auf eine einzelne CD gepasst hätten) wenig mehr als ein weiteres Caesars-Album, wie man es kennt. Nur eben doppelt so lang, bzw. zwei in einem und mit etwas mehr krautinduzierter Experimentierfreude versehen. Der breitbeinige Einstieg "Fools parade" etwa gehört nicht gerade zum alleroffensichtlichsten stilistischen Inventar: Die Drums schleppen sich verbreakt über die Runden, die Gitarren zersplittern, und der gnadenlos nach vorne gemischte Gesang klingt nach mittlerer Mick-Jagger-Maulsperre. Auch dabei: versunkene Lo-Fi-Balladen mit massig Tränen und Ziepen, spontan hingeklampfte Instrumentalskizzen und eine Art entwurzelt vorbeiwankendes Hochzeitslied mit Kirchenorgel. Beim catchy Riffgerumpel von "Up all night" wird sogar sehenden Auges ein Clubhit verschenkt, weil die Rhythmusgruppe das ganze Stück hindurch schlicht Pause macht.
Und doch beherrschen die Caesars ihr bewährtes Handwerk nach wie vor am besten. Die qualmenden Sixties-Orgeln, die im Hintergrund Dampf machen oder auch mal in der ersten Reihe stehen. Intros, die irgendwo zwischen "You really got me" und "Brimful of Asha" oszillieren und dann plötzlich in einem Getöse aus psychedelischem Stimmgewaber, plärrendem Fuzz und wunderbarsten Popmelodien aufgehen. Vielleicht kommt "No tomorrow" nicht komplett an die hyperaktive Rappelkiste "Kick you out" ran und ist "New year's day" kein ganz so blitzblanker Evergreen wie "It's not the fall that hurts" - Caesars konnten das also selbst schon mal ein klein wenig besser, und doch summiert sich "Strawberry weed" zu einem Album mit vielen guten und einigen herausragenden Songs. Leider aber eben auch mit Ausschussware. Man bekommt unweigerlich Lust, sich mit der Stoppuhr neben die Anlage zu setzen. Voraussichtliches Ergebnis der Messung: 39 minutes of bliss (and some otherwise meaningless songs). Das kommt Euch jetzt irgendwie bekannt vor? Halb so schlimm - nach ein paar Tüten zu viel kann es schon mal passieren, dass man doppelt hört.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fools parade
- Boo boo goo goo
- Strawberry weed
- No tomorrow
- New years day
Tracklist
- CD 1
- Fools parade
- Waking up
- She's getting high
- Boo boo goo goo
- Tough luck
- Turn it off
- You're next
- In my mind
- Crystal
- Every road leads home
- Strawberry weed
- Solina
- CD 2
- New breed
- Stuck with you
- Down down down
- No tomorrow
- In orbit
- Easy star
- Up all night
- Happy happy
- Run no more
- Watching the moon
- New years day
- You nailed me
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Caesars - Paper tigers (43 Beiträge / Letzter am 12.12.2006 - 10:43 Uhr)
- Caesars - 39 minutes of bliss (in an otherwise meaningless world) (18 Beiträge / Letzter am 14.07.2004 - 15:50 Uhr)