Joy Division - The best of

Rhino / Warner
VÖ: 28.03.2008
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Moderne Zeiten

Es war an der Zeit. Das Interesse an Joy Division köchelt seit Jahren dank zahlreicher Bezüge innerhalb der Popkultur hoch und höher. Nicht nur Bands wie Interpol und Editors haben die Aufmerksamkeit wieder auf diese Pioniere des Postpunk gelenkt. Zuletzt stand das tragische Schicksal ihres Sängers Ian Curtis im Mittelpunkt von Anton Corbijns Spielfilmdebüt "Control", dessen Soundtrack auch hier für Furore sorgte. Nun gibt es also einen weiteren Versuch, das Beste aus dem Schaffen von Joy Division mit einem Doppelalbum einzufangen. Vorweg: Es scheitert.

Das liegt natürlich nicht an der auch nach fast dreißig Jahren immer noch beklemmend großartigen Musik dieser Band. Sie war Ausdruck des Zeitgeistes auf der Schwelle zwischen den Siebzigern und den Achtzigern. Ein Gebräu aus der Weltangst des Kalten Kriegs, der persönlichen Hoffnungslosigkeit des Punk und der widersprüchlichen Technologieskepsis des New Wave. Joy Divisions minimalistische Unterproduktionen schnüffelten Klebstoff und ritzten sich die Unterarme auf. Curtis' vermeintlich sarkastische Verse schienen sich dem Grau in Grau des Daseins zu verweigern. Dass sie aber doch vor allem sein zerrissenes Innenleben entblößten, fiel selbst seinen Freunden aus der Band erst auf, als es schon zu spät war, ihm zu helfen.

Es war feierliche Frustration, die Joy Division zelebrierten, gespeist aus Missverständnissen von innen wie von außen. Diese sind eines der Vermächtnisse der Band: Die gleißende Zärtlichkeit von Songs wie "New dawn fades" oder "Atmosphere" wurde in all den Jahren oft als niedergeschlagene Dunkelheit verkannt. Die unbeirrte Verweigerung aus "Dead souls" und "Disorder" verkam bei anderen zur Geste. Der trockene Realismus aus "She's lost control" wurde zur Jammerlappigkeit Hunderter Plagiatoren. Verklärung und Mystifizierung legte sich über das Erbe von Joy Division, genau wie es eine ganz andere Band eine Dekade später erleben musste. Irgendwann machte sich bei beiden sogar die absurde Idee breit, die anhaltende Verehrung läge gar nicht an der Musik, sondern am Selbstmord des Sängers.

Und doch: Allen Widrigkeiten zum Trotz überdauerte die Musik. Sie ist das andere, das viel wichtigere Vermächtnis. "Transmission" trägt beinahe prophetisch die Abstumpfung durch das Formatradio in sich und zieht doch mit spöttischer Leichtigkeit auf die Tanzfläche. Wer seinen Liebeskummer noch nicht mit "Love will tear us apart" teilen konnte, sollte sich dringend welchen anschaffen, um den Trost nacherleben zu können. Nachvollziehen kann das nur, wer es erlebt. Wer die Abscheu überwindet. Wer die Brillanz in den matten Klängen entdeckt. Wer in der industriellen Kälte die Hitze des Rock'n'Roll findet. Wer die Monotonie in ihrer Pracht lieben lernt.

Doch dazu muss es nicht zwingend dieses "The best of" von Joy Division sein. Das liegt auch an einer seltsamen Songauswahl, die es vorzieht, Schlüsselsongs in zwei- bis dreifacher Ausfertigung bereitzustellen, aber dafür schmerzliche Lücken wie "Atrocity exhibition", "The eternal" oder "Decades" in Kauf nimmt. Zweifelsohne sind die Aufnahmen aus den Peel-Sessions toll, weil sie Nähe schaffen und die gewollte Distanz damit noch unterstreichen, und es ist das Verdienst von "The best of", diese jetzt zur Abwechslung mal offiziell zu veröffentlichen. Dazu kommen zwei weitere Livetakes und ein Interview. Erhellend, aber nicht erleuchtend. Doch es bleibt die Frage, ob die Auswahl der hiesigen 14 Studiotracks eine gelungenere ist als die der 16 von "Permanent" oder der 17 von "Substance 1977-1980". Mit solchen Problemen muss sich Ian Curtis zum Glück nicht mehr herumschlagen.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New dawn fades
  • Transmission
  • Atmosphere
  • Dead souls
  • Love will tear us apart
  • Twenty four hours

Tracklist

  • CD 1
    1. Digital
    2. Disorder
    3. Shadowplay
    4. New dawn fades
    5. Transmission
    6. Atmosphere
    7. Dead souls
    8. She's lost control
    9. Love will tear us apart
    10. These days
    11. Twenty four hours
    12. Heart and soul
    13. Incubation
    14. Isolation
  • CD 2
    1. Exercise one (The John Peel session)
    2. Insight (The John Peel session)
    3. She's lost control (The John Peel session)
    4. Transmission (The John Peel session)
    5. Love will tear us apart (The John Peel session)
    6. Twenty four hours (The John Peel session)
    7. Colony (The John Peel session)
    8. Sound of music (The John Peel session)
    9. Transmission (recorded live for Something Else)
    10. She's lost control (recorded live for Something Else)
    11. Interview by Richard Skinner with Ian Curtis and Stephen Morris
Gesamtspielzeit: 95:37 min

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