Firewater - The golden hour

Nois-O-Lution / Indigo
VÖ: 04.04.2008
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Die Möglichkeit einer Insel

Die Liste großer Aussteiger ist lang. Sean Penn hat dem Komplettzivilisationsverweigerer Christopher McCandless erst kürzlich mit seinem Meisterwerk "Into the wild" ein Denkmal gesetzt. Und dann gibt es da ja noch Holden Caulfield, den jungen Werther und (natürlich eher unfreiwillig) Robinson Crusoe. Nun darf sich zu dieser meist eher artifiziellen Liste von Helden des freiwilligen Exils mit Tod A. ein neuer Name hinzugesellen. "The golden hour" ist das neue musikalische Manifest von A.s Band Firewater und eine Widmung der Freiheit, Grenzenlosigkeit und des Internationalismus. "World music" im besten Sinne des Wortes. Denn "The golden hour" lässt sich wie ein prächtiges Kibbuz irgendwo am Mittelmeer hören. Und wenn man sich seinen Kibbuzniks widmet, verliebt man sich noch mehr in diesen kleinen musikalischen Mikrokosmos, in welchen uns Tod A. gleich zu Beginn entführen will: "Well I ain't gonna live in your world no more / Feelin' like a flunky for a two-bit whore / You got a monkey for a president / And a head all filled up with cement." Deutliche Worte die der Weltreisende für den Einstieg zu seinem neuen Werk wählt. Und die perfekte Selbstbeschreibung für "The golden hour".

Man erinnert sich noch sehr gut an ehemalige Großtaten wie den Drahtseilakt zwischen Genie und Größenwahn "The man on the burning tightrope" oder das wildwüchsige "The Ponzi scheme". Zwar schafft es das neue Werk durchaus, die Klasse seiner Vorgänger beizubehalten und mit eigenen fantastischen Songs wie zum Beispiel "Some kind of kindness" vollends zu überzeugen, aber einen deutlichen Unterschied gibt es schon: Firewater ist mittlerweile kaum noch als Band zu bezeichnen. Hinter diesem Bandnamen versteckt sich mittlerweile ein Konglomerat unzähliger internationaler Künstler, die gemeinsam - ob in der Türkei, in Israel oder in A.s zwischenzeitlicher Heimat Indonesien - mit ihm musiziert haben. Dadurch sind faszinierende, mehr als ungewöhnliche Songs entstanden. Songs wie "Bhangra bros." erinnern eher an eine mexikanische Polizeikapelle, die bei einem Gastauftritt an der israelisch-ägyptischen Grenze zu Besuch ist und sich plötzlich vor lauter tätowierten und saufenden Jugendlichen wiederfindet.

In der Tat, "The golden hour" lässt sich wie eine Art "The catcher in the rye (abroad)" hören. A. schlüpft in die Rolle seines Alter Egos Holden Caulfield, und anstatt durch die alte Heimat New York zu flanieren, besucht er nun die Welt. Dabei lässt er zu allem und jedem seine zynischen, beissenden Kommentare ab, ohne dabei die eigene miserable Lage aus den Augen zu verlieren, die so seltsam zur Weltsituation passt: "And every word I never spoke / Dies like a spark gone up in smoke / Pulled from the glow of a shitty cigarette / And I probably should shave and dig myself out of this grave / But I can't go, no, not just yet." Firewaters neues Album ist das bislang wohl persönlichste und zugleich universellste Werk, welches unter diesem Bandnamen veröffentlicht wurde. Es stellt nicht nur Hörgewohnheiten in Frage, sondern ist auch Zeugnis einer Ära, in welcher sich die Proberaumband, die sich für Monate in irgendeinem Keller einschließt, zum überholten Konzept wird. Das Album wurde auf der ganzen Welt aufgenommen und verströmt dieses Bewusstsein mit jedem Ton. "The golden hour" riecht nach Salz, Gewürzen, Meer, Sonne und Tränen und ist doch anders als die pessimistische Utopie bei Robinson Crusoe. "Someday, somewhere down the line / A place to be free in our minds / A world which is not so unkind."

(Konstantin Kasakov)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Borneo
  • Paradise comes with a price
  • Hey clown
  • Already gone

Tracklist

  1. Borneo
  2. This is my life
  3. Some kind of kindness
  4. So this is how it feels
  5. A place not so unkind
  6. Paradise comes with a price
  7. Bhangra Bros.
  8. Electric city
  9. Hey clown
  10. Already gone
  11. Feels like the end of the world
  12. Weird to be back
  13. 3 legged dog
Gesamtspielzeit: 53:57 min

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