
Valina - A tempo! A tempo!
Trost / CargoVÖ: 11.04.2008
Hausbesetzer
Spitzenhäubchenmanager wissen: Transatlantik kann auch ein Standortvorteil sein. "A tempo! A tempo!", das bereits dritte Album der Linzer Math-Rocker Valina, wurde wie sein Vorgänger "Vagabond" von Steve Albini in dessen Electrical Audio Studio aufgenommen. Und ist dort mit kratzigen Gitarren, seiner aus Bass- und Schlagzeugkarkassen zusammengezimmerten Schwerlast-Doppelbereifung und den selbst von Lawinensuchhunden links liegen gelassenen Taktarten, nicht nur herzlich Willkommen und eigentlich zu Hause. Valina schaffen es auch, das ganze Domizil zu besetzen.
Der größte Gewinn von "A tempo! A tempo!" ist wohl, dass Valina die in ihrem Genre üblichen Versteckspielchen konsequent aussetzen. Wo viele ihrer amerikanischen Genossen Melodien und Hooks unter mehreren Soundschichten und allerlei sperrigem Rhythmusgedöns verstecken, um so etwas wie eine Tiefendimension zu erzeugen, da gehen Songs wie "Calendaria" und "Mehrklang" direkt an die Oberfläche. Sie packen aus, ziehen blank und zeigen, was sie haben. Schlagzeug und Bass werden tief grollend gegeneinander ausgestellt, arbeiten aber miteinander an der größtmöglichen Drehzahldynamik. Die Gitarre findet dazu stets die gewisse Portion Dissonanz, streut sie allerdings eher als hautenge Geometrien in die Songs und betreibt somit Winkelmessungen im trotz all der Wucht porös aufgeschlossenen Klangraum. Wenn wie bei "Dogged" oder "Libido's regime" dann noch fanfarenartig Trompeten und Saxophone röhren, ist mit einem Mal eine Dichte am Platz, die die Mauern förmlich zum Bersten bringt.
Die hinkende Math-Rock-Grundstruktur weicht damit auch auf "Bellydancer" und "Eyes window" mehreren, präzise herausgeschossenen Konzentrations- und Kompressionspunkten. So präsentieren Valina hymnische Harmonien in Serie, gestalten sie jedoch rough und geradlinig und lösen damit etwas ein, was ansonsten in den Referenzkatalogen oft nur versprochen wird: Sie musizieren mit der Direktheit von Shellac oder Fugazi, besitzen zugleich aber den rhythmischen Wahnsinn Don Caballeros. Vielleicht muss ein Genre ja in der Tat zugleich exportiert und re-importiert werden, damit sich irgendwann mal wieder was tut.
Obwohl englisch gesungen, hat auch Anatol Bogendorfers Gesang auf fremden Terrain eindeutig Heimrecht. Während bei den Vorbildern der allseits beliebte, gesprochene Vortrag oft genug nach dem rechten Verhältnis zwischen Distanz und Intensität fahndet, ist Valinas Schwarzeneggerisch nicht die kleinste Anstrengung anzumerken. Wie einst der Governator bei "Twins" den Vergleich mit dem Rambo-Plakat süffisant lächelnd für sich entschied, bewegen sich Valina im genretypischen Strom, grüßen mit "A tempo! A tempo!" aber eindeutig von der Pole Position. Ganz bewusst ist ihnen das freilich nicht: "We're still on the radar / Not there yet / On the run / But it's good to know where we wanna go." Zwischen UTC-6h und Jetlag passt immer noch ein Schluck donnerndes Understatement.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Calendaria
- Bellydancer
- The phantom of my longest day
Tracklist
- Calendaria
- Bellydancer
- Dogged
- Idiom's palace
- Per sonare
- The phantom of my longest day
- Mehrklang
- My eye's a window
- Clockshock & freedom
- Delivery man (Duane! Duane!)
- Libido's regime
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Havalina - Muerdesombra (4 Beiträge / Letzter am 09.05.2023 - 14:30 Uhr)
- Valina - Container (2 Beiträge / Letzter am 12.01.2015 - 23:00 Uhr)
- Valina (17 Beiträge / Letzter am 23.06.2009 - 16:40 Uhr)