The Rolling Stones - Shine a light
Polydor / UniversalVÖ: 04.04.2008
Anti-aging
Es gab eine Zeit, in welcher galt: "Die Beatles wollen Deine Hand halten. Die Stones wollen Deine Stadt niederbrennen." Unterstrichen wurde diese Annahme Ende der Sechziger, als die Rolling Stones mit dem epochalen Live-Album "Get yer ya-ya's out" ihren Kurs auf Unsterblichkeit lenkten, während die Beatles im Zickenkrieg versanken. Man elektrisiere sich am röhrenden Mick Jagger in der garstigsten und genialen Version von "Midnight rambler" oder am blutrünstigen Riff von "Street fighting man". 40 Jahre nach der pophistorischen Explosion jedoch blieben von den Beatles die Ideale und das Genie erhalten, von den Stones nur die Schatten ihrer selbst. Einzusehen im Konzertfilm "Shine a light", einzuhören im einhergehenden Soundtrack und dem damit siebten offiziellen Livealbum der Rolling Stones. Wer die überteuerten Konzerttickets kauft, hat bestimmt auch dafür noch Geld übrig.
Regisseur Martin Scorsese hatte im Oktober 2006 kein einfaches Spiel, den Derwisch Jagger in Bildern einzufangen, welche mehr zeigen wollen, als einen Mann, der verzweifelt seiner Jugend hinterher zappelt. Das laszive Räkeln, die kirschrote Zunge und auch das bebende Stöhnen lösen selbst bei einer alten Jungfer keine sexuelle Anziehungskraft mehr aus, ganz zu schweigen von der gesanglichen Leistung des einstigen Sexsymbols. Doch so lange der spindeldürre Mann noch singt, ist das Konzert noch nicht zu Ende. So kann man mit etwas Aufmerksamkeit hinter der lahmen Vorstellung von "Shine a light" doch noch die musikalische Extravaganz erkennen, die die Stones einst heraufbeschwören konnten.
"Jumpin' Jack Flash" ist auch mit eisernem Willen nicht zu verwüsten, "All down the line" der Schmackes nicht zu nehmen. Das eigentlich ziemlich wunderbare "Loving cup" erschreckt 26 Jahre nach Entstehung mit einem ziemlich überflüssigem Jack White und einem schmatzenden Jagger, während Charlie Watts den einen oder anderen Hieb neben seine Felle setzt. Glücklicherweise besteht die treibende Interpretation von Muddy Waters' "Champagne & reefer" mit Buddy Guy den Altrockertest. Und so strampelt sich die erste Hälfte ziemlich überraschungs- und energiefrei, aber einigermaßen noch solide durch ihr Aufgebot.
Die zweite Hälfte will nun auf Nummer sicher gehen und setzt nach einem lauen Witz von Martin Scorsese ("We can't burn Mick Jagger!") mit "Sympathy for the devil" die erwartete Pistole auf die Brust des Hörers. Keine Frage, das kennt man besser. "Live with me" mit Christina Aguilera - Schwamm drüber. Ausgerechnet das durchgetretene "(I can't get no) Satisfaction" stört die Zusammenkunft vom tobenden "Brown sugar" und "Paint it black", dem definitiven Stones-Song, der auch etwas schief intoniert noch beängstigend einnehmend ist. Der Abgang bleibt ernüchternd, auch wenn "Shine a light", der Song, durchaus angenehm groovt und milde stimmt.
Ein weiteres Mal kann man doch feststellen, dass diese Rock'n'Roll-Übermenschen, die schon allem möglichen in die Fratze geblickt und möglicherweise sogar Asche von toten Vätern geschnupft haben, wieder dort angekommen sind, wo vor ihnen immer noch niemand war. Das große Ziel der Stones, immer weiter zu machen und alles zu überleben, ist ihnen auch dieser Tage nicht zu nehmen. In Stein gemeißelt bleiben wundervolle Songs, die das Alter nicht entstellen kann. Die Geschichte der Stones erscheint als die Umkehrung des Schicksals von Dorian Gray: Die Rolling Stones altern augenscheinlich, ihre Fans dürfen jung bleiben, und ihre Songs altern sowieso nie. Es ist eben nicht nur Rockmusik.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Brown sugar
- Paint it black
Tracklist
- CD 1
- Jumpin' Jack Flash
- Shattered
- She was hot
- All down the line
- Loving cup (with Jack White III)
- As tears go by
- Some girls
- Just my imagination
- Faraway eyes
- Champagne & reefer (with Buddy Guy)
- Tumbling Dice
- Band introductions
- You got the silver
- Connection
- CD 2
- Martin Scorsese's intro
- Sympathy for the devil
- Live with me (with Christina Aguilera)
- Start me up
- Brown sugar
- (I can't get no) Satisfaction
- Paint it black
- Little T & A
- I'm free
- Shine a light
Referenzen
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