The Teenagers - Reality check
Merok / XL / Beggars / IndigoVÖ: 21.03.2008
Eis am Stiel
"Love is a fact of life. For all human beings, and especially for teenagers, it could be said that love is THE fact of life. It is one thing that is central to all human existence." So steht es geschrieben in "The teenager's guide to the real world" von Marshall Brain. Natürlich interessieren sich Teenager auch für Handys, Klingeltöne, Markenklamotten, Mofas, Ghettorap, die Frage nach Lehrstelle, Studium oder gleich Hartz IV, Taschengelderhöhungen oberhalb der Inflationsrate, "Um Mitternacht bist Du zuhause!", Hautpflegeprodukte und das Web 2.0. Aber was die Teeniewelt zusammenhält und über Gewinner oder Verlierer entscheidet, sind ja nicht die Mathehausaufgaben und Reli mit Herrn Klein, sondern Zungenküsse und "Das erste Mal". Zum Beweis dafür, dass Teenies ausschließlich an Liebe, Sex und Zärtlichkeit denken, zählen wir jetzt mal ein paar Namen auf: Dr.-Sommer-Team, "Teenager Liebe" von den Ärzten, "La boum – Die Fete", "Eis am Stiel", "American pie", "Beverly Hills 90210" oder "Verbotene Liebe".
Die wahren Probleme Heranwachsender behandeln auch die drei französischen Wahl-Londoner von The Teenagers. Mit einer Handvoll Songs und Remixen, denen nun ein ganzes Album nachfolgt, trafen sie 2007 zahlreiche Blogger rund um den Globus mitten ins Herz, die sich prompt in den 4-Spur-Lo-Fi-Indiepop mit 80er-Synthies und beiläufig-nuscheligem Sprechgesang verliebten. Die innige Zuneigung erklärt sich wohl nicht zuletzt auch aus den teils äußerst direkten Texten. Das Highlight in puncto Derbheit ist die bereits im letzten Jahr auf Kitsuné erschienene Single "Homecoming". Im Wechselgesang berichten dort ein cooler Europäer und eine amerikanische Dumpfbacke von einer gemeinsamen Liebesnacht. "I could only notice she was more than fuckable" und "I fucked my American cunt" heißt es auf der einen Seite. "Mmmm, he is totally awesome / Oh my God, I think I'm in love" und "I loved my English romance" auf der anderen. Das ist sprachlich gesehen eher Hauptschule als Gymnasium, aber niemand wird behaupten wollen, Jugendliche würden nur in rosafarbenen Diminutivformen über Geschlechtsmerkmale sprechen.
Ebenso wenig zimperlich wird in "Sunset beach" erst "an ass to die for" bewundert, was folgerichtig "I fucked her to Mariah Carey's 'Hero'" nach sich zieht, wofür sich die "fuckin bitch" bedankt, indem sie die Fender Jazzmaster mitgehen lässt. Romantische erste Zungenküsse mit "'Dirty dancing'", Augen, die nicht lügen, und "soft lips" hingegen gibt es in "French kiss". Hinzu kommen nervtötende, alles kritisierende Beziehungspartnerinnen ("Love no"), eine Hommage mit Heiratsantrag an Scarlett Johansson ("Starlett Johansson") und ironische (?) Ansagen an die Fans ("Feeling better"): "Just buy our t-shirts / And talk about us everywhere". Den Rest erledigt dann das Internet.
Wie im vergangenen Jahr Uffie mit "First love" bewiesen hat, haben die Franzosen anscheinend ein besonderes Faible für cheesige 80er-Melodien. Nicht umsonst stammt ja auch der Klassiker aller Stehblues-Tänzer, Richard Sandersons "Reality", aus einem französischen Film dieser Epoche. Allzu klebriger Zahnspangenromantik weichen The Teenagers allerdings durch ihre schnoddrige "We're teenagers we don't care"-Haltung aus. All das verleiht "Reality check" zwar einen gewissen Charme, aber musikalisch ist dieses Album so substantiell wie eine MySpace-Freundschaft. Ein paar hübsche Momente sind hier in der ersten Hälfte dabei, aber je länger das Album dauert, desto mehr wiederholt sich dieser Indiepop-Trash. "Reality check" wird daher wohl schon bald das Schicksal ereilen, den ein anderer Filmklassiker im Titel trägt: "Vom Winde verweht".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Homecoming
- Love no
Tracklist
- Homecoming
- Love no
- Feeling better
- Starlett Johansson
- Streets of Paris
- Make it happen
- Wheel of fortune
- Fuck Nicole
- French kiss
- Sunset beach
- Ill
- End of the road
Referenzen