Stanfour - Wild life
Vertigo / UniversalVÖ: 29.02.2008
Bund der Vertreibenden
Manchmal, im Getümmel des City-Rings, fragt man sich: Ist das eigentlich noch ein Song oder bereits Beihilfe zum Autounfall? Die ersten Noten erklingen aus dem Autoradio, und man sitzt der irrigen Meinung auf, der Musik irgendwie entkommen zu können. Man fährt automatisch ein paar km/h schneller, rast über Stop-Schilder, lacht schrill und kurzatmig auf, winkt manisch in den Rückspiegel. Und erblickt sogleich genau die unheilvolle Song-Gestalt auf dem Rücksitz, von der man gerade noch meinte, sie abgehängt zu haben - um daraufhin das Steuer zum finalen Crash zu verreißen. Seit Neuestem im Bund der Vertreibenden dabei: Stanfour, vier Jungens vom alten Klimakatastrophenbrecher Föhr. Ihr Debüt "Wild life" ist genau das, was dabei herauskommt, wenn eine durchschnittliche Party-Cover-Band meint, mit extrem durchschnittlichem Radio-Rock immer noch den Allein-Langweiler spielen zu müssen: eine Strand-Haubitze des unterdurchschnittlichen Geschmacks.
Alles vom Angst erfüllten Pop-Rock-Fersengeldmarathon hinreichend bekannt: die New-Goth-Narkolepsie von "Desperate", das Nickelback bis zum Exitus denkende "Sorry" oder die Vorab-Hitsingle "For all lovers". Gitarren-Zupf-Harmonien, Schunkel-Schlagzeug, Streicher-Decrescendi und Mann-sein-heißt-verzweifelt-verliebt-sein-Lyrics inbegriffen. Erschwerend hinzu kommt hier jedoch eine Untertreibung jeglicher Ausdrucksfähigeit, die jede Note derart akribisch den anglo-amerikanischen Designs nachbaut, dass letztlich nichts weiter da steht als ein Exempel ach so typisch deutscher Ingenieurskunst. Wertarbeit, ebenso verlässlich wie leblos. Keine Ausnahme: die von Konstantin Rethwisch als echter Rocker mit Gefühlsdusel im Ei, jedoch ohne amerikanische Knödeligkeit vorgetragenen, situationsgerecht genormten Texte. Da wird dann zum Sleeping-on-the-dancefloor-Disco-Punk von "Wild life" auf einmal Paris Hilton gedisst, wo ansonsten "cry" auf "die", "sorry" auf "story" gereimt wird. Alles derart abgerundet und anschmiegsam, dass sich nur noch totale Konturenlosigkeit (ihrem Schicksal) ergibt.
So ist es beinahe ein Schock, wenn "Heart skipped a beat" zunächst im dröge-beatlesken Fools-Garden-Beat beginnt, sich dann aber im Refrain zu echter Dramatik steigert. Und auch sonst findet "Wild life" durchaus häufiger mal den Korn im Küstennebel, beziehungsweise geht auch an "Everything I am" und dem Uptempo-Emo-Pop von "Do it all" Hopfen und Malz nicht spurlos vorbei. Saufen und dabei verzweifeln können sie halt, die Deutschen. Kann auch Plattentests.de, und deshalb schicken wir diese vier Jungs doch lieber wieder zurück auf Montage hintern Deich. Im Hinterwald gibt es für sie genug zu tun. Und auch hier hat man alle Hände und Nasen voll: Muss man doch der Polizei erklären, warum man sich an der zerborstenen Mittelkonsole derart eitel erfreut. Und den Rettungskräften, weshalb trotz Stirnkontakt mit dem Armaturenbrett lediglich die Ohren bluten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Heart skipped a beat
Tracklist
- For all lovers
- Sorry
- Wild life
- How does it feel
- In your eyes
- Heart skipped a beat
- Everything I have
- Desperate
- It's not over
- World of silence
- Do it all
- Lonely life
- I will be
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