School Of Language - Sea from shore

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 08.02.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Manierismen für Millionen

Es gab eine Zeit, da wusste man, dass Gitarren, Bässe und Schlagzeug kratzen und beißen können, und nicht immer bloß spielen wollen. Dass das Klischee, wenn es schon nicht aus dem Song herausgeschält werden kann, mit so vielen potentiellen Gefahren zu umgeben ist, dass es ihm zumindest mulmig wird. Dass die höchsten Töne nicht immer nur Schicksale bejammern und den Kontostand lobpreisen müssen, sondern in Zungen reden und Feuer speien können. Und dass man erst, wenn man sich durch all diese Parolen geboxt hat und sowohl der Nerd (linke Schulter) als auch der Schöngeist (rechte Schulter) endlich mal Ruhe gibt, einen wirklich guten Song geschrieben hat.

Der gute, alte Indie also, wegen seiner quietschfidelen Zerstörungswut oftmals zu wenig mehr als dem Krisengipfel der Rockmusik erklärt: David Brewis, a.k.a. School Of Language, weiß genug darüber. Bereits bei Field Music, jener Band, der Brewis einst vorstand, und die sich nun in verschiedene presented-by-Projekte aufgespalten hat, waren es ebenso der Schalk im Nacken wie der vorgeschobene Beckenbogen und die Herzmassage, die die Orientierung der Songs diktierten. "Sea from shore" bleibt dem gegenüber zwar ähnlich verspielt, lässt seine Spleens aber stets bis in die Songmitten durchsickern. Um sie dann von innen heraus wach zu kitzeln. Das in vier Teile zersprengte "Rockist" stellt dabei eine der offensivsten Gesten dar. Aufgebaut um einen gestotterten Vokal-Rhythmus-Loop, ergeben sich hier sehr detailverliebte Remixe einer zunächst einmal recht dämlichen Idee. Die dann aber an den genau richtigen Stellen sitzen.

Denn für das Album wirkt das ebenso bahnbrechend wie richtungsweisend, und beschert ihm untrügliche Holterdipolter-Hits wie "Disappointment '99" und "Poor boy". Im klaren Bewusstsein, dass die Gitarre nur genug ausschweifende Betonungen spielen muss, damit der Beat als Faust im Magen auch noch den Stinkefinger leicht ausstellt und den Bauch gen Lummerland krault, verreißen beizende Riffs und bis zum Erdkern durchgetretenes Geschlagzeug kurz vor edlem Raffinade-Pop und Disco-Punk das Lenkrad in alle Richtungen zugleich. Dazu intoniert Brewis eine Stimme gewordene manische Depression, die sich nicht in Phasen, sondern in Gleichzeit äußert. Auch "Extended holiday" und "Ships" schweißen verschiedene Mini-Takte zu einem behutsam vor sich hin torkelnden Homunculus zusammen, gewähren ihm jedoch nicht das Recht, aus dem Emo-Pop-Labor auszubrechen. Über das Hämmern an den Türen wird allerdings gewissenhaft Buch geführt.

Somit bedient "Sea from shore" einen besonderen Manierismus, dem man als Existenzberechtigung gar nicht erst dröge Zeitlosigkeit unterstellen muss, wenn er sich derart spielfreudig äußert, wie hier. Denn er liefert genug Kopfnickerfreiraum, Mitschnippmomente und in Fieberschüben nach innen peitschende Gänsehaut, um aus dem Stand zu begeistern. Ob das wirklich Millionen interessiert, bliebe abzuwarten. Doch Indie heißt ja eh auch immer: im Zweifel lieber schlauer als der Rest.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Disappointment '99
  • Extended holiday
  • Rockist part 4

Tracklist

  1. Rockist part 1
  2. Rockist part 2
  3. Disappointment '99
  4. Poor boy
  5. Keep your water
  6. Marine life
  7. Ships
  8. This is no fun
  9. Extended holiday
  10. Rockist part 3 (Aposiopesis)
  11. Rockist part 4
Gesamtspielzeit: 39:42 min

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