Aidan John Moffat - I can hear your heart

Chemikal Underground / Rough Trade
VÖ: 01.02.2008
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Intensivtäter

Aidan John Moffat war schon immer ein ganz spezieller Egomane. Ob in Kooperation mit Malcolm Middleton als Arab Strap, solo als L. Pierre oder mit Aidan Moffat & The Best Ofs: Stets bugsierte er seinen zugleich wilden und weisen, über andere herziehenden und über sich selbst den Kopf schüttelnden Sexismus bis an genau den Klippenrand, von dem aus sich nicht nur das eigene Elend, sondern das der ganzen Welt überblicken ließ. Ein wichtiger, ein spannender Korrektor, schonungslos zuvorderst gegen sich selbst. Und einer, der bisher stets zu dosieren wusste. Mit "I can hear your heart", seiner ersten, spoken-word-infizierten Soloarbeit unter eigenem Namen, knabbert er zunächst scheinbar ähnlich hart an seinem Konzept. Und löst es dann doch auf beinahe ärgerlich lapidare Weise auf.

Da gibt es zunächst "Poop", eine im Booklet abgedruckte Kurzgeschichte. Und darauf "Loop", die Musiken und Gedichtzeilen zur Zigarette danach. Eben diese auf jeweils wenige Jingles heruntergedampften Takte Musik platzen wie selbstsüchtige Zerreißproben aus dem "Hörbuch" hervor. Man hört: Softporno-Calypso und Western-Motive - Valensina-Werbungs-Gestöhne und Morricone-Trompeten inklusive. Pub-, Club- und Straßensound-Collagen - Fußtrippeln zum nächstschlechtesten Beischlaförtchen inklusive. Immer wieder Sixties-Trauergeigen-Filmscores oder Monster-Movie-Suspense-Miniaturen - Statik-Knistern inklusive. Und all das mit größter Sorgfalt arrangiert und produziert, jedoch roter Faden exklusive. Denn den hebt sich Moffat für seine Lyrics, Gedichte und dazwischen geworfenen Ansagen auf. Hier lebt er seine zwangsneurotischen Frivolitäten zwischen aufgekratzten Nervenenden, schorfiger Alkoholleber und ebenso blank liegenden wie ziehenden Trieben. Und in dieser geballten Kraft letztlich gespielter und berechenbarer Offenherzigkeit.

Denn: Klar ist "Double justice" tief drinnen nur der Sandwich-Fick, dessen küchenpsychologisches Heiopei Moffat vom Daily-Talk-Hauspsychologen erklärt bekommen hat. Klar zählt "Nothing in common" jeglichen kulturellen Sachverstand allein auf Männerseite auf. Klar führt jede sexuelle Beglückung sogleich zum wirklich tief und fies sitzenden Beschiss "mit Beigeschmack". Und insgesamt: Natürlich sind da immer noch die zweiten, zuweilen auch die dritten Ebenen. Ist die Zerrissenheit nicht nur die von Moffats Herzen, sondern spiegelt sich in Ultrakonsequenz am Gesamtkonzept. Und entpuppt sich "I can hear your heart" in all seinen Falten letztlich doch zu einer gewissenhaften Selbstdemontage, die sich über die Denunziation aller Anderen bloß selbst verleumdet.

So ist Moffat in der Tat voll bei der Sache und erschafft sowohl musikalisch als auch textlich ein reich illustriertes und teils sehr spannendes Projekt. Dennoch fragt man sich, ob er zwischen erstem Aufwachblinzeln, guinnessverdächtigem Silberblick und allerletztem REM-Flackern wirklich immer bloß das eine denkt. Scheinbar schon. So gibt er unumwunden zu, er schaue mit "I can hear your heart" zurück auf ein sehr viel jüngeres und dümmeres Ich, dessen Autobiographie er offensichtlich für wert genug hält, um sie ins öffentliche Rund zu werfen. Da war sie wieder, die Egomanie. Sie macht den Realismus von "I can hear your heart" zu einem ebenso offensiven, wie selbstverliebten und -reflexiven Mindfuck. Wie deklamierte Homer Simpson einst? "Bier, Bier, Bier! Bett, Bett, Bett! – Juhu!!!" Ein Programm, mit dem sich Landtagswahlen gewinnen lassen. Denn am Ende des Tages wollen selbst die rückfallgefährdetsten Intensivtäter-Rauf- und Saufbolde doch nur zurück hinter die Vulva geknuddelt werden. So einfach ist es zwar nie. Aber man kann es sich natürlich so machen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hopelessly devoted
  • Good morning

Tracklist

  1. Intro & instructions
  2. Atmos
  3. Cunts
  4. Nothing in common
  5. Hopelessly devoted
  6. Super sexxxy real live!
  7. Party at your boyfriends
  8. Monday, fantasy time
  9. 4sex message 1
  10. Fuck it
  11. Good morning
  12. All the love you need
  13. You took it well
  14. International valentine
  15. 4sex message 2
  16. I'm not bitter
  17. The boy that you love
  18. A very short song
  19. Double justice
  20. I will walk
  21. Beak
  22. Hungry heart
  23. View from the kitchen
  24. Hilary and back
Gesamtspielzeit: 36:42 min