Northern Kings - Reborn
WarnerVÖ: 01.02.2008
Halb so wild
Auch Metalheads hören heimlich Kuschelrock. Tanzen Discofox, bügeln ihre Unterwäsche und seufzen ergriffen auf, wenn im Fernsehen Tierbabies zu sehen sind. Bevor jetzt ein Sturm der Entrüstung losbricht: Ist natürlich ein wenig dramatisiert. Aber so dogmatisch mancher Hardliner aus dem Fanlager die Grenzen seiner kleinen Welt abstecken mag, so weich ist der Kern manches Zweimeterhühnen unter der rauen Schale aus Leder und Metall oft. Die gängigen Klischees machen zwar Spaß, 24/7 evil schafft aber auch der bärigste Kerl nicht, und die musikalische und sonstige Weltsicht hört meist eben nicht schon beim Mettrinken und Slayerhören auf. Konservativ ist und bleibt Metal, engstirnig muss er nicht sein. Manche Protagonisten erlauben sich privat sogar Tina Turner und Lionel Richie.
"Reborn" ist deshalb gleich aus mehreren Gründen mehr als nur ein weiteres Metal-Album mit Coversongs aus den Achtzigern. Zum einen, weil die Northern Kings nicht irgendeine Kellerkombo sind, sondern Finnlands finest in Sachen Metalgesang stellen. Nightwish-Mastermind Marco Hietala führt als König der Könige das Quartett an, dem neben ihm noch Sonata Arcticas Tony Kakko, Charons JP Leppäluoto und J Ahola von Teräsbetoni angehören. Zum anderen werden ungeachtet von Songstrukturen und Genre durchweg Lieblingssongs der vier Nordländler intoniert, von denen jeder Hörer mindestens drei Viertel kennt, sofern er in seinem Leben mehr als 20 Minuten Formatradio gehört hat.
Das Metalgewand, das sich klanglich eng an den Hauptbands der vier Frontmänner orientiert, steht den meisten Songs dabei gut: Schon der Opener "Don't stop believin'" von Journey wird in der Hand der Northern Kings zu einem Power-Metal-Ritt der Extraklasse, inklusive Pianointro, brodelndem Orchester, monumentalem Chor, Gniedelsolo und cheesy Synthies. "We don't need another hero" (Tina Turner) ringen sie mit pathetischer Kopfstimme glatt eine neue emotionale Note extra ab, und Billy Idols "Rebell yell" errichtet sich gleich eine eigene Kathedrale für sein siebeneinhalbminütiges, sakrales Doom-Requiem. Sogar das im Original arg käsige "I just died in your arms" von Cutting Crew gerät der Band zur beinahe ergreifenden Powerballade. Dass sie aus schwierigeren Vorlagen wie Peter Gabriels Harmoniemonster "Sledgehammer" oder Radioheads Übersong "Creep" nur ein zweifelhaftes Ergebnis heraus holen, ist daher verzeihlich.
Insgesamt fügen sich die zwei musikalischen Welten schließlich erstaunlich organisch ineinander, wie das epische "Brothers in arms" (Dire Straits) beweist, das so auch als "Braveheart"-Soundtrack funktioniert hätte. Um ihre glatte Produktion erleichtert, offenbaren viele unterschätzte Songs ihre Stärke, die Keyboardflächen gab es ohnehin auch schon vor 25 Jahren, und der orchestrale Bombast wirkt nur hier und da überdimensioniert. Bei allem Augenzwinkern dieser Platte erkennt man in den Songs trotzdem noch eine liebevolle Hommage an die Originalkompositionen. Auch wenn der Nutzwert gering bleibt: "Reborn" ist ein Lausbubenstreich voller Erfurcht für die Vergangenheit, den sich das Kind im Metaller hier erlaubt. Man sieht sie förmlich grinsen. So böse können die gar nicht sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Don't stop believin'
- We don't need another hero
- Brothers in arms
Tracklist
- Don't stop believin'
- We don't need another hero
- Broken wings
- Rebell yell
- Ashes to ashes
- Fallen on hard times
- I just died in your arms
- Sledgehammer
- Don't bring me down
- In the air tonight
- Creep
- Hello
- Brothers in arms