José James - The dreamer
Brownswood / Cooperative / UniversalVÖ: 25.01.2008
Stadtstreichler
Zusammen mit Ben Westbeech und Elan Mehler bildet José James die Stoßspitze eines neuen urbanen Jazzprogramms auf dem Label von Acid-Jazz-Erfinder Gilles Peterson. Während seine beiden Kollegen aber zwischen Instrumental- und Funk-Soul-Jazz der neuen Ausrichtung die Sporen geben, muss man James vergleichsweise als Traditionalisten bezeichnen. Seine Musik zeigt sich äußerlich gelassen bis verschlafen. Und tümmelt dann doch vor sich hin wie ein mit Amphetaminen betankter Tempomat.
Dabei sind es vor allem James' Vocal-Jazz-Kapriolen, die den Arrangements von "The dreamer" Geschwindigkeit und Konsistenz geben. James befestigt seine Stimmbänder zwischen Streichelbarden-Intonation und rhythmischer Beschleunigung, erweist der croonigen Versiertheit Terry Calliers ebenso Respekt wie der melodischen Erfindungskraft Billie Holidays. Und wirft gerne auch mal die ein oder andere Rap-, Soul- oder Gospel-Phrasierung geschmeidig und scharfzüngig dazwischen. Den Galopp zwischen den Tönen und Stilen reitet James dabei teils derart schnell, dass seine Stimme eher wie ein weiteres Soloinstrument funktioniert. Andererseits weiß er ihr aber auch genug Nachdruck zu verleihen, um sie nicht im allgemeinen Trubel einfach untergehen zu lassen, und swingt so oftmals einfach an Start- und Ziellinie vorbei, bevor man so recht merkt, was nun schon wieder los war.
Bei so viel Übereifer gibt es dann wie üblich aber doch den einen oder anderen Aussetzer. So sind, wenn zu "Park bench people" auch noch ständig Santana-Gitarrensoli zwischen einem Gestrüpp aus Schlagzeug-, Standbass- und Orgelfieberschüben hin und her springen, die Kratzspuren auf dem Songkörper kaum noch wegzupudern. Auch "Blackeyedsusan" setzt ihren warmen Barjazz-Sound eher in der hibbeligen Betriebsamkeit der Lounge-Ecke eines Drum'n'Bass-Clubs aus. Wo er aber auch ohne Megaphon-Durchsage und anschließenden Rabenmutter-Skandal wieder abgeholt wird. Zur exzellenten, finalen Troika "Velvet", "Winterwind" und "Desire" darf dann sogar sachte durch die schwarz-weiße Nacht nach Hause geschwoft werden, bis die einzelnen Instrumente wieder anziehen und zum Wohle des Songs aufdrehen.
Somit ist "The dreamer" doch irgendwie urbanes Programm und imitiert den Trottoir-Fußtretertanz einer übervoll gemenschelten Innenstadt. Wenn der Unterste stets meiner ist. Wenn sich eine am Augenbrauenrand flackernde Gestalt auf ihrem Weg nach Geradeaus mit den Worten "Dürfte ich genau da mal durch, bitte?" auch schon um die Schulter dreht. Während Lichter, Körper und Geräusche wie Feuerwerk durch die Scheuklappen brechen und knapp hinter einem die eigene Courage angeschlagen auf zwei Pötten durch den Rinnstein pluckert. Dann eröffnet James seine Zappelphilipp-Pantomimen. "Urban", das heißt halt immer auch: zu voll, zu zerstreut, zu diffus. "The dreamer" gibt davon ein verschwommenes, in sich gekehrtes Bild. Wenn hier jemand träumt, dann bestimmt von der Ruhe danach. James hätte sie sich verdient.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Love
- Winterwind
Tracklist
- Love
- Blackeyedsusan
- Park bench people
- Spirits up above
- Nola
- Red
- The dreamer
- Velvet
- Winterwind
- Desire
Referenzen