Alec Empire - Golden foretaste of heaven

Eat Your Heart Out / Rough Trade
VÖ: 25.01.2008
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dreck auf der Windschutzscheibe

Ein kleines Wort kann tödlich sein. Dazu muss man noch nicht mal 20 betrunkene Hells Angels als Mutterliebhaber beschimpfen. Schon ein eigentlich harmloser Ausspruch aus dem Mund einer begehrten Schönheit kann auch für den härtesten Kerl den ultimativen Tritt ins Zentralmassiv bedeuten. Wer auf die bange Frage "Wie findest du mich eigentlich so?" als Antwort von ihr ein freundliches "nett" zu hören bekommt, hat schlicht und einfach verloren. Denn "nett", schlimmstenfalls mit dem Killer-Nachsatz "aber nur als Freund", bedeutet meist: Trösten ohne Knutschen, zweite Liga Ersatzbank, sexuelles Abstellgleis. Manchmal heißt "nett" auch schlicht "nett". Und selbst das ist noch weit von der freundlichsten Umschreibung entfernt, die man sich für Alec Empires neue Platte "Golden foretaste of Heaven" ausdenken möchte.

Nach Jahren der ungestümen Techno-Punk-Agitation scheint der ehemalige Berufsrevolutionär (leider) sein Gemüt erneut abgekühlt zu haben und hat nun seine Platte "ohne" gemacht: ohne Politikthemen, ohne wahnhafte Brüllorgien, ohne das Extreme. Aber auch ohne packende Beats, ohne Richtung, ohne Linie. Völlig umorientieren wollte sich Empire, und man merkt es dieser umherschnüffelnden Platte an. An Inspiration scheint es (auch in Form der neuen Liveband The Hellish Vortex) nicht gemangelt zu haben, doch nützt die wenig, wenn am Ende all die schönen Ideen in einem halbgaren Gemisch aus Elektro-Punk und LoFi-Beats versanden. Während andere Extremacts wie Slipknot nach dem Sturm erfolgreich die Ruhe entdeckten, lässt einen "The golden foretaste of Heaven" nahezu kalt.

Empires Versuche, seinen Sound an der kurzen Leine, nahe am Songskelett zu halten, wirken oft bemüht, kopflastig und hilflos. Die Frage muss erlaubt sein: Was will diese Musik, dieses Album? Zum Genießen zu stressig, zum Tanzen zu holprig, die kühle Erotik zu unnatürlich, die hippe Coolness zu aufgesetzt, die Botschaft unklar. Persönlich soll alles sein, klingt aber so emotionslos und technisch, als hätte ein Roboter die Songs berechnet. Klar, "Ice (As if she could steal a piece of my glamour)" geht immerhin als unentschlossenes, aber grooviges Ideenpatchwork durch, "On fire (The Hellish Vortex sessions)" poltert mit seinen stampfenden Synthies erfolgreich einmal quer durch den Club, und "1000 eyes" ist so konsequent, alles auf Stille und seine Stromgitarre zu setzen. Der Rest aber mäandert zwischen fixer Idee und Belanglosigkeit am Ohr vorbei ins Nirwana.

Vielleicht ist das alles ein Missverständnis, und man müsste nur besser hinhören, im Club stehen, vielleicht dem Körper gewisse Substanzen zuführen oder in Berlin-Charlottenburg geboren sein. Vielleicht ist "The golden foretaste of Heaven" aber auch einfach nicht so visionär, wie sein Schöpfer es sich erhofft hat. Gerade der Ausbruch aus alten Noise-Gefilden und die Abkehr vom politischen Überbau zeigen dem Hörer Alec Empires künstlerische Grenzen deutlich auf. Persönliche Abgründe verpackt in Discounterlyrik gibt's noch dazu: "You're a bug on my windshield / I don't wanna be with you", heißt es in "No/Why/New York". Ging zwar nicht an den Hörer, beruht aber schon irgendwie auf Gegenseitigkeit.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ice (As if she could steal a piece of my glamour)
  • On fire (The Hellish Vortex sessions)

Tracklist

  1. New man
  2. If you live or die
  3. Ice (As if she could steal a piece of my glamour)
  4. 1000 eyes
  5. Down Satan down (Dub)
  6. On fire (The Hellish Vortex sessions)
  7. Robot LOVE
  8. Death trap in 3D
  9. Bug on my windshield
  10. No/Why/New York
Gesamtspielzeit: 42:10 min

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