
We - Tension and release
Rodeostar / SPVVÖ: 25.01.2008
Eine Frage der Zeit
Wenn man eine Retro-Welle mal als eine Zeitreise betrachtet, die in immer neue Jahre führt, gibt es drei Möglichkeiten der Entwicklung: Wenn der Punkt erreicht ist, an dem das Objekt der nostalgischen Begierde in die falsche Richtung abdriftet, kann man zum Beispiel die eigene Entwicklung in günstigere Bahnen lenken, ausprobieren, was hätte passieren können. Das ist dann zwar nicht mehr retro, dafür aber spannend. Die zweite Möglichkeit besteht darin, an diesem bewussten Punkt die Zeitmaschine neu zu starten und noch mal zum Anfang zurückzugehen. Irgendwann ist das auch nicht mehr retro, sondern der Murmeltiertag. Die dritte Möglichkeit schließlich ist Retro bis zum bitteren Ende. Auf diesem Weg sind We mit ihrem neuen Album mitten im Hardrock-Establishment der Achtziger gelandet.
Technisch gesehen ist "Tension and release" nahezu perfekt. Ein wuchtiger, dichter Sound, der trotzdem transparent genug ist für feine Details, ausgefeilte Arrangements mit weit gespannten Bögen. Das Niveau des Songwritings bewegt sich im gehobenen Bereich. Aber der trübe Schleier der Vorhersagbarkeit legt sich über die ganze Platte und stellt sich als kleine, aber effektive Spaßbremse heraus. Knackige Rocker werden ein wenig zu sorgfältig platziert, und die psychedelischen Hüllen der XL-Epen wirken seltsam leblos. Die Füllung ist zwar durchaus warm und organisch, atmet aber nicht. Und ganz genau wie ihre großen Vorbilder aus den Siebzigern sind We nach fast 14 Jahren Bandgeschichte nicht mehr so hungrig wie am Anfang. Vor allem aber nicht mehr so mutig.
Die Norweger haben echt was erreicht in den letzten Jahren. Erst die Adelung durch Chris Goss, der sich auf dem Vorgänger "Smugglers" die Co-Produzenten-Ehre gab, dann eine Nummer 1 mit diesem Album in der Heimat Norwegen, Touren durch drei Kontinente, Support für Motörhead, Preise und Auszeichnungen aller Art. Als sie noch nichts zu verlieren hatten, waren sie besser. Das gilt für We genauso wie für die Deep Purples und Black Sabbaths und Led Zeppelins ihrer Kindheit. Das Potenzial ist in Norwegen immer noch reichlich vorhanden. Aber um über das Mittelmaß hinauszuwachsen, müssen sich die fünf Freunde aus Oslo mal wieder richtig was trauen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Popul vuh
- Hurdy gurdy
Tracklist
- Lotus rising (in the emotional minefields)
- Free behind bars
- That's why (you're so fine)
- For love, for life
- Popul vuh
- Appreciation
- Hurdy gurdy
- Post millenium tension blues
- Thorns
- No end
- Freaks in the street
Referenzen