Dynamite Deluxe - TNT
EMIVÖ: 25.01.2008
D-Böller
Gönnen wir uns die Nostalgie. Schwelgen wir in Erinnerungen an eine kurze Episode Ende der Neunziger, als ein paar pfiffige Jungs ihre Restpickel ausdrückten und ihnen - bewaffnet nur mit Mikrofon, Plattenteller und großer Klappe - die Emanzipation von amerikanischen Bling-Bling-Vorbildern gelang und ein landesweiter Boom des deutschen HipHops einsetzte. Noch vor den lebhaften Szenen in Stuttgart, Heidelberg, München und Berlin waren in diesen Tagen Hamburg City und seine sich gegenseitig inzestuös featurende Mongo Clikke das Maß aller Dinge für deutschen Rap. Die Ergebnisse waren ebenso frisch wie gehaltvoll und gipfelten in Genredefinitionen wie "Bambule" von den Absoluten Beginnern oder "Deluxe soundsystem" von Dynamite Deluxe.
Und heute? Beginner Eißfeldt ist Jan Delay und macht mit Reggae und Funk auf Popstar. Dendemann rettet als Geschichtenverstyler fast unbemerkt den deutschen HipHop, und andere Leute wie Tobi Tobsen sind DJ, Produzent oder in Projekten (Moonbootica) aktiv. Manche sind auch ganz mit dem Musikmachen durch, zum Beispiel Berufsassi Ferris MC. Der große Rest rappt wieder unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, wie vor dem Hype. Aber Samy Deluxe? Der war immer da. Ab 2002 formell solo, wenn auch mit Schützenhilfe von Dynamite-Deluxe-Beatbastler Tropf, zuletzt aber vor allem mit schwindendem Erfolg und zunehmend lahmem Output. Seit 2005 war dann komplett Funkstille, bis Ende 2007 endlich durchsickerte: Dynamite Deluxe, inklusive DJ Dynamite, kommen mit neuem Album zurück.
Einem Album, das gemischte Gefühle provoziert: Eigentlich macht das rund produzierte Wiedersehen mit dem immer latent angepissten Samy Spaß - das nationale HipHop-Prekariat steckt der selbst ernannte Erfinder deutschen Battleraps schließlich immer noch dreimal in die Tasche. Ohne die grüne Brille und mit gut zehn Lenzen mehr auf dem Lebenskonto kommen Songs wie "Alles bleibt anders" mit Jan Delay oder "Boombox" auch deutlich reflektierter daher, als die alte Cannabis-Rhetorik. Auf voller Plattenlänge bekommt die sich wiederholende Mischung aus Poser-Ansagen à la "Wir sind wieder da und immer noch die Geilsten!" und biografischen Abrechnungen jedoch einen schalen Beigeschmack, der offenbart: Dynamite Deluxe für sich allein genommen reicht einfach nicht mehr.
Denn ohne Fanbase, ohne Szene, hängt die Statusduftmarke "Der Thron ist meiner" unadressiert im luftleeren Raum. Für den Diss braucht es den Gegner, für die Selbstbeweihräucherung die Posse - beides fehlt in Deutschland 2008. Richtig geil geht Dynamite Deluxe heute nur ab, wenn man wie im Dancehall-Spaßmacher "Weiter" den alten Kosmos verlässt oder "Komma klar" und das technisch grandiose und melancholisch-soulige "Letzer Song" einfach ganz persönlich und hautnah erzählt. Am Ende egal, wie amtlich "Dynamit!" drückt: Der Großteil von "TNT" enthält nicht den versprochenen Trinitrotoluol, sondern bewegt sich eher in der Sprengklasse eines D-Böllers. Kräftig Wumms, aber für die Revolution wird es nicht reichen. Die hatten wir ja auch schon Ende der Neunziger.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Weiter
- Dynamit!
- Letzter Song
Tracklist
- Intro
- Newcomer des Jahres
- Alles bleibt anders (feat. Jan Delay)
- Boombox
- Bis hier her
- Komma klar
- Weiter
- Easy
- Mein Flow ist
- Ab und zu
- Dynamit!
- Der Thron ist meiner
- Letzter Song
Referenzen