The Ocean - Precambrian

Metal Blade / SPV
VÖ: 09.11.2007
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Relativitätstheorie

Alles ist relativ. Wirklich alles! Geld, Zeit, Komplexität und Kunst sowieso. Und da sitzt nun in diesen Tagen ein gewisser Dustin Kensrue von Thrice vor der versammelten Weltmusikpresse und erzählt, wie verflochten und mehrteilig "The alchemy index" mit seinen 4 EPs doch sei. Feuer, Wasser, Erde, Luft und das alles. Schwer fassbar. Angeblich. Doch seien wir ehrlich: Auch das ist nur relativ. Denn egal, was man bei so einem Konzeptalbum alles falsch machen kann, The Ocean machen mit "Precambrian" alles richtig.

Geld: The Ocean gehören mit Sicherheit nicht zu den größten Bands auf Metal Blade, verschlingen aber höchstwahrscheinlich die meiste Kohle. Allein das Artwork - Entschuldigung, DAS Artwork! - würde einen doppelten CD-Preis gerechtfertigen: ein edles Hochglanzbooklet, das nur mit Samthandschuh angefasst werden sollte, man könnte ja Fettfinger hinterlassen. Ganz zu schweigen von den aufwändigen Grafiken, den Ausstanzungen im Cover, der durchsichtigen einen und im passenden Gegenzug dazu der komplett schwarzen zweiten CD. Mit den bombastischen Aufwendungen für die Produktion fangen wir gar nicht erst an, das ist dann eher relativ.

Zeit: So viele Monate sind seit dem Brocken "Aeolian" noch gar nicht ins Land gegangen, doch wenn man bedenkt, was hinter "Precambrian" für ein organisatorischer Aufwand steckt, mit all diesem Hin und Her der zig Sänger um Dwid Hellion (Integrity), Caleb Scofield (Cave In) oder auch Nate Newton (Converge / Old Man Gloom) sowie den restlichen geschätzten 85 Personen, die mittlerweile zum The Ocean Collective gehören, dann Hut ab. Aber überhaupt ist ja Zeit eigentlich das Thema des Albums - die Entstehung und Entwicklung der Erde im Laufe der Millionen, gar Milliarden von Jahren. Und das komprimiert auf 86 Minuten, wohlgemerkt. Zeit ist also nicht umsonst die relativste von allen Größen.

Komplexität: Als ob der Kerngedanke hinter "Precambrian" noch nicht weitläuftig genug wäre, als ob die Zitate und Verweise auf Friedrich Nietzsche, Comte de Lautréamont oder Georg Trakl für viele nicht schon viel zu sehr über den Horizont hinaus gehen würden, The Ocean setzen noch einen oben drauf. Was bei Thrice simpel in eine harte "Fire"- und eine weiche "Water"-EP eingeteilt wurde, machen The Ocean mehr oder weniger auch, bloß etwas schwer zugänglicher. Weich bedeutet nicht wirklich weich, sondern maximal etwas verhaltener und hart gab es zwar auch schon härter, aber nie in Form eines solchen Kolosses. Ähnlich wie bei dem Querschnitt durch die Millionen von Erdjahren, scheint es auch bei ihrer Musik zu sein, die keinen Einfluss aus Ambient, Postrock, Sludge, Metal und Progressive Rock auslässt, dennoch aber keineswegs abgehobene Selbstverliebtheit widerspiegelt.

Kunst: Die ist dann auch das Größte an "Precambrian". Ein Musikalbum, das viel mehr ist als reine auf CD gepresste Lieder. Stattdessen handelt es sich um ein überaus stimmiges Gesamtkunstwerk aus Lyrik, eben jener vielfältigsten Musik, Grafikdesign und der Gewandtheit, das alles in einen Kontext zu bringen, der in sich harmonisch ist, auch nach Wochen noch Details hervorbringt und Augen und Ohren offen stehen lässt. Ganz zu schweigen davon, dass The Ocean viele derzeitige Bands als reinste Dilettanten im Raum stehen lassen und den Hörer oftmals gleich mit. The Ocean überfordern leidenschaftlich. Zum Glück.

(Christoph Schwarze)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hadean
  • Rhyacian
  • Stenian

Tracklist

  • CD 1
    1. Hadean
    2. Eoarchean
    3. Paleoachean
    4. Mesoarchean
    5. Neoarchean
  • CD 2
    1. Siderian
    2. Rhyacian
    3. Orosirian
    4. Statherian
    5. Calymmian
    6. Ectasian
    7. Stenian
    8. Tonian
    9. Cryogenian
Gesamtspielzeit: 86:11 min

Im Forum kommentieren

boneless

2025-02-23 17:48:30

Beste Post-Metal Platte, die bisher aus Deutschland kam. Ich mag es zudem, wie gnadenlos das Schlagzeug alles zerschreddert. Genau so brachial muss sein.

The MACHINA of God

2025-02-22 22:10:26

Und eigentlich auch ein Meisterwerk.

The MACHINA of God

2023-03-01 20:16:53

Brocken.

ƒennegk

2021-10-12 18:20:19

Rezension gelesen, für spannend befunden - tatsächlich (auch) das Konzept - und begeistert. Noch immer.
Leider aber auch Wendepunkt, denn mit Loïc Rossetti am Mikro komme ich bis heute kaum klar, weshalb der Fanservice mit den Instrumentalfassungen echt schmackig ist - auch wenn's dann wiederum zwar stark aber eben doch am mehr oder minder generischen Postmetal vorbeischrammt.

Zurück zum Meisterstück: Der Kontrast zwischen Urhölle und den dann bisweilen - wunderbar umschrieben - schwelgerischen Tönen ist einfach spannend; auf beiden Hochzeiten weiß man zu feiern.
Wird geholzt, dann ohne Kakophonie auszuarten; und facettenreicher Postmetal zeitigt hübsche Melodeyen und überschreitet zumindestens m.E. nie die Grenze zum Kitsch (trotz orchestraler Unterstützung).

Tjoa... sollte diese Woche mal wieder den Arbeitsweg untermalen - zu lange schon nicht mehr gehört.

boneless

2021-10-11 19:34:23

Noch nie hier geantwortet, nanu? Ich stimme Machina klar zu, auch mein (deutlicher) Favorit von The Ocean. Auf Precambrian stimmte die Mischung zwischen Härte und Schwelgerei noch in sämtlichen Bereichen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich die Streicher nicht unbedingt gebraucht hätte und jene den ein oder anderen Part künstlich aufplustern. Ist aber eine Fußnote, denn ansonsten gibts nicht viel zu meckern. Mir gefällt vor allem immer wieder, wie gnadenlos in den ersten 5 Songs geholzt wird. Da bleibt kein Stein auf dem anderen. Das Konzept war und ist mir ehrlich gesagt schnuppe, das Artwork hingegen nicht, denn das sticht sowohl in der großartigen Cd- Version, wie auch in der Vinylfassung heraus.
Auch live war das sehr geil, 2008 direkt zum Album gesehen, da wurde mit zwei Schreihälsen, drei Gitarristen und heftigem Stroboskop-Gewitter alles in Schutt und Asche gelegt. Das zweite Mal war dann ne Special-Album Show beim Doom over Leipzig, die auch großartig war, allerdings mit dem Wermutstropfen, dass die schnellen Nummern der ersten Cd komplett ausgelassen wurden.

Übrigens: Jonas Renkse from Katatonia and Bloodbath was planned to be on the album, but due to Katatonia's touring schedule during the production, The Ocean was not able to approach him on time. The Ocean wanted to have Dave Verellen of Botch to participate, but he never responded during production.

Das wäre zusätzlich spannend geworden, schade.

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