Dirtmusic - Dirtmusic

Glitterhouse / Indigo
VÖ: 23.11.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Am roten Faden

Ihre Namen prangen wie ein zweites Ich von der Papphülle der CD. Und wiederholen sich noch einige Male in großen Lettern an verschiedenen Stellen des Booklets. Wie ein Klingelschild für die diesjährige Zweck-WG der Herzen. Ein groß heraus posauntes Zeichen, das bedeutet: Chris Eckman (The Walkabouts, Chris & Carla), Chris Brokaw (Codeine, Come, Pullman) und Hugo Race (einst bei den Bad Seeds, ansonsten aber sein eigener Chef bei den True Spirits) haben sich, um Roots-Musik zu spielen, zu Dirtmusic zusammengerauft. Und, wie Eckman sogleich klarstellt: "With a name like that you better be damn good!" Das sind sie, keine Frage.

Denn trotz des peniblen Ausstellens der Namen der Bandmitglieder, trotz der Tatsache, dass hier nicht etwa drei alte Kumpel und Weggefährten, sondern Fremde zusammenfinden: Was man den Live-Proben mit zahlendem Publikum, die dieser Platte vorausgingen, verschiedentlich nachsagte, ist auf "Dirtmusic" unbedingt verschwunden. Brokaw, Eckman und Race funktionieren hier als Band, hör- und spürbar. Kein produktiver Ego-Clash, keine erzwungene Einheit. Bloß ein gemeinsames Selbstbewusstsein.

Daraus schöpfen Dirtmusic derart herausragende Stücke wie "The returning", "Sun city casino" und "Face of evil ". Die Gitarren klingen zugleich voll und differenziert, dröhnen auf den tiefen Saiten in den nächsten Takt herüber, der von Schellenkränzen und Basedrums durch den Song gedrückt wird. Einzelne Slides huschen dicht an der sehr klaren Melodieführung vorbei, Orgel- und Feedbacktupfer schleifen ihre Landebahn, Banjos klickern warm dazwischen wie Murmeln über Holzparkett. Stets melancholisch verliebt, stets am roten Faden hängend, ausschweifend, aber zu keiner Sekunde verdaddelt oder in Folk-Standards verstrickt, findet jeder einzelne Song seine Einheit, formuliert ein klares Ziel und rettet sich nie über die Zeit.

Obwohl angefixt von den verschiedenen Tempi und Temperamenten ihrer Verfasser, wird doch alles in eine zusammenlaufende Form gegossen. Ein Bild davon gibt die Art und Weise, wie selbst die unterschiedlichen Stimmen letztlich wie aus einer Kehle zusammenstimmen. Brokaw kann das jugendliche Gebrechen nach wie vor nur schwer verstecken, Eckman gibt den versierten, heiseren Patheten, Race als schizophrener Western-Blues-Crooner das Husten danach - die Inkubation einer an der Welt erkrankten Angina, die, einmal festgesetzt, so schnell nicht wieder vergehen wird.

Somit wird "Dirtmusic" zwar groß vorgetragen - ein Showing Out zur besten Partyzeit ist es aber nicht. Eher schon die Suche nach dem letzten Moment der Ruhe, der am viel zu frühen Morgen dem Abend noch fehlt. Wenn jede Bar bereits geschlossen hat, brennt allein oben bei der WG noch Licht. Auf die ist Verlass, immer noch und immer schon. Die Tür steht offen, der Schlummertrunk bereit, die kleine Nachtmusik spielt voller Hingabe und Konzentration. Deine Anwesenheit wird bestenfalls am Rande bemerkt, und Du räkelst Dich im beruhigenden Gefühl der eigenen Gespenstwerdung. Ein Gruß zum Abschied, mit einem flüchtigen Kopfnicken goutiert, und später, zwischen Traum und Wachen, hörst Du sie noch immer spielen. Ein Echolot, das jeden Lidschlag zählt. Ein Motion Tracker, der den Nebel flirren lässt und immer dichter zieht. Das ist nicht der Alkohol, mein Freund. Das ist Dirtmusic.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The other side
  • The returning
  • Panther hunting

Tracklist

  1. Erica Moody
  2. The other side
  3. Sun city casino
  4. Face of evil
  5. The returning
  6. Still running
  7. Summer days
  8. Ballad of a dream
  9. No sorrow more
  10. Panther hunting
  11. Wasted on
  12. Morning dew
Gesamtspielzeit: 57:09 min

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