
Seachange - Disband in Bonn 2007
Glitterhouse / IndigoVÖ: 16.11.2007
Headliner der Herzen
Mit etwas bösem Willen ist es einfach, das zu Ende gehende Jahr als Rückschlag für die britische Popmusik zu begreifen. Aus der weiterhin beeindruckenden Klasse von 2005 konnten lediglich die zweiten Alben von Bloc Party und Maximo Park uneingeschränkt an ihre Vorgänger anknüpfen. Bei Art Brut und den Arctic Monkeys hörte sich das alles schon eher halbsteif an, und wirklich viel versprechenden Nachwuchs hat es abseits der trendresistenten The Strange Death Of Liberal England oder The Twilight Sad auch kaum gegeben. Am schwersten allerdings wiegt: Aereogramme sind von uns gegangen, The Cooper Temple Clause haben das Handtuch geworfen, und Seachange sind nicht mehr. Drei der eigensinnigeren, weniger erfolgreichen Bands im Vereinigten Königreich haben sich aufgelöst - und die Musiklandschaft da drüben sieht plötzlich ein ganzes Stück stromlinienförmiger aus.
Es ist dabei ein schwacher Trost, dass wenigstens Seachange wissen, wie man sein Ausscheiden angemessen feiert: mit einem Konzert in Bonn, selbstverständlich. Am 24. März haben sie in der Hauptstadt der Herzen zum vorerst letzten Mal auf einer Bühne gestanden. Der WDR-Rockpalast war so freundlich, das Ganze mitzuschneiden, und anhand von "Disband in Bonn 2007" lässt sich nun in aller schmerzhaften Ausführlichkeit nachvollziehen, warum Seachange fehlen werden. Das Livealbum wird der Band noch nicht mal gerecht: Sie scheint hier nicht ihren besten Tag zu haben und klingt blasser und schlaffer als auf ihren beiden ausgezeichneten Studioplatten "Lay of the land" und "On fire, with love". Trotzdem klar: Selbst durchwachsene Seachange sind immer noch zu wertvoll, um ihnen nicht ein letztes Mal für 55 Minuten und 42 Sekunden nachzutrauern.
Historisch bedeutend ist die Platte, weil sie mit dem spielerisch-zerfahrenen "Personal assistant" einen der letzten und besten Seachange-Songs für die Nachwelt festhält. Sänger Dan Eastop noch einmal dabei zuzuhören, wie er sich mit dem beispiellos brutalen "Superfuck" die Halsschlagader aufpumpt, kann auch nicht schaden. Und spätestens, wenn einen der hier besonders nervös eingefangene Doppelschlag von "News from nowhere" und "Glitterball" zwischen die Rippen trifft, verzeiht man auch die Setlist-Löcher, in denen "Annie, Tacoma", "Do it all again" und insbesondere das sehnsüchtige, wehmütige "In" verloren gegangen sein müssen. Dieser Song allein - er war der letzte auf Seachanges letztem Studioalbum - ist mehr wert, als weite Teile des britischen Musikjahres 2007. Deshalb gerne noch einmal in aller Deutlichkeit: Es ist doch zum Kotzen, dass Seachange jetzt weg sind.
Highlights & Tracklist
Highlights
- News from nowhere
- Glitterball
- The key
- Personal assistant
- Superfuck
Tracklist
- Anti-story
- No backward glances
- Youth and art
- Shooting arrows
- Half a love
- News from nowhere
- Glitterball
- Fog
- Midsummer fires
- The key
- Personal assistant
- Christmas letters
- Forty nights
- Superfuck
- Seven miles from Intrex
- Punch and Judy
Referenzen
Spotify
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