Bob Dylan - Dylan
Columbia / Sony BMGVÖ: 05.10.2007
Wiederholungstätigkeiten
"Meine Güte, Chef, wir haben eine dickes Problem!" - "Bitte?" - "Hast Du's noch nicht gehört? In ein paar Monaten soll doch diese gespielte Dylan-Biographie "I'm not there" über die Kinoleinwände flimmern. Und wir stehen ohne neues Produkt da! Und das vorm Weihnachtsgeschäft. Alles, was wir haben, sind diese alten CDs, die mit ihren kleinen Preisen wirklich niemanden hinterm Ofen hervorlocken. Chef, ich hab Angst, bin verzweifelt, halt mich." - "Ach, junger Padawan, keine Sorge. Du bist noch nicht allzulange im Geschäft. Ich will Dir sagen was wir jetzt tun. Erstmal: Durchatmen" - "Okay, okay: Puuuuh." - "Sehr gut. Und jetzt machst Du Folgendes: Schnapp' Dir die Freaks aus dem fensterlosen Kellergeschoss, und lass die eine neue Best-Of kompilieren. Die haben zwar keine Ahnung von Dylan, aber das ist schließlich Alltag für die Deppen. Die machen eh nichts Anderes. Eine CD reicht übrigens - die dann aber bitte bis zum möglichen Ende vollstopfen. Dann schreibst Du in der Rezensentenwelt herum. Irgendeiner aus der namenvollen Kritikerschar wird schon seinen Senf in ein paar kurzen Sätzen ins Booklet hauen wollen. Mann, das ist schließlich Dylan. Da wollen alle ins Boot. Und verkaufen wird der sich sowieso immer. Und ..." - "Werter Chef, nicht, dass ich an Deiner Integrität zweifle, aber darf ich Dich darauf aufmerksam machen, dass sich bereits drei propevolle, offizielle Greatest-Hits-Scheiben und eine ebenso gut gefüllte Essential-Compilation von Dylan auf dem Markt die Klinke in die Hand drücken? Das können wir doch nicht bringen. Wir können die Leute doch nicht so verarschen!"
"Huahuahuahuahua, Huahuahuahuahua. Dass ich nicht lache. Und wie wir das können. Du musst anscheinend noch viel lernen, junger Mann" - "Aha?" - "Pass gut auf und schreib mit: Besorg' Dir, ist mir egal woher, irgendeinen Schmalspur-Elektroniker und lass den einen Song remixen. Nicht zu bekannt, bloß keine Single. Sonst gibt's mehr negative Kritiken als uns lieb ist. Irgendwas mit Schmiss, bei dem es nicht so wirklich auffällt. Der soll dann schön weichgespült werden. Du verstehst?" - "Nein, nicht wirklich." - "Lass den Typen einfach bisschen elektrifizierten Jazz und Soul unter den ausgewählten Song hauen. Den bringen wir dann mit der Originalversion auf eine weitere CD, und schon haben wir eine 2-CD-Box, die wir dann zum Preis von einer veröffentlichen. Und der Bogen erst, den wir zu all denen geschlagen haben, die wirklich jeden Remix von altem Zeugs unreflektiert in den Himmel loben. Clever, nicht?" - "Genial, Chef. Aber dann sind ja nur zwei Songs auf einer CD. Das funktioniert?" - "Tja, die Psychologie macht's möglich!" - "Gut, ich werde dann mal verschwinden. Viel Zeit bleibt ja wohl nicht." - "So ist's recht."
Und so zog er aus, der ambitionierte junge Mann, um seinem Arbeitgeber weitere Millionen zu verschaffen und selbst auf der Karrierleiter einen großen Sprung zu machen. Die Fahrt in den Keller zu den traurigen, bärtigen Fachmännern des Kompilierens erwies sich als überraschend einfach. Denn die armen Herrschaften, die schon seit langem ihr Arbeitsleben im Schatten fristen, deren Alter nur schwerlich zu erraten ist, ertrugen ihr Schicksal mit einem faden, altbekannten Schulterzucken. Achtzehn Songs trugen sie letztlich zusammen. Mehr ging nicht. Ein bisschen Standardrepertoire von den großen Alben: "Mr. Tambourine Man" von "Bringing it all back home", "Like a rolling stone" von "Highway 61 revisited". Das Altersmeisterwerk "Time out of mind" kommt mit der melancholischen Ballade "Make you feel love me" zum Zuge. "Hurricane" vom harmonischen "Desire" und "All along the watchtower" vom rauen "John Wesley Harding" erweisen sich ebenfalls als durchaus Bekannte die Ehre.
Hinzu kommen zwei Songs aus dem rein folkigen Frühwerk: die beiden Tiefgangs-Perlen "The times they are a-changin" und "Blowin' in the wind". Der Zeitraum von 1977 bis 1996, die Phase von christlicher Besinnung und vergospelten Tiefschlägen, wurde komplett ausgeblendet. Um dem Schnellschuss-Projekt "Dylan" eine Botschaft zu verleihen, verwendete man als Abschlusstrack "Forever young" vom mediokren "Planet waves". Mit Mark Ronson wurde dann auch bald der mäßige Remixer gefunden, der sich mehr schlecht als recht an "Most likely you go your way (and I go mine)", einem der wunderbar verqueren Songs von "Blonde on blonde", der seiner Zeit weit voraus war, versuchen durfte. Nicht zu vergessen Autor Bill Flanagan, der doch arg langweilt mit seinen schnöden Liner Notes, die sich insgesamt nur in kurzen Sätzen auf jeden einzelnen Song aufteilen. So nüchtern diese Auflistung klingt, so einfallslos und unmutig gestaltet sie sich. Keine Überraschungen, keine neuen Erkenntnisse. Selbst die auf Häppchen bedachten Einsteiger sollten einen großen Bogen um diese Best-Of machen und sich eher an der gleich betitelten, gleichzeitig veröffentlichten 3-CD-Box versuchen - oder sich ohne steinige Umwege an den oben genannten Kompilationen erfreuen. Die Songs: Sie er- und verklingen so herzerwärmend, bissig und filigran wie eh und je und kratzen mit Nachdruck am gerne verwendeten, nichtigen Begriff der Zeitlosigkeit. Sie dann zu einem schwachen Produkt zusammenzupressen - das kann wahrlich jeder. Dem lieben Chef wird es egal sein. So lange der Kontostand stimmig ist. Insofern: gute Arbeit.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The times they are a-changin
- Mr. Tambourine Man
- Like a rolling stone
- Just like a woman
- Tangled up in blue
Tracklist
- CD 1
- Blowin' in the wind
- The times they are a-changin
- Subterranean homesick blues
- Mr. Tambourine Man
- Like a rolling stone
- Maggie's farm
- Positively 4th Street
- Just like a woman
- Rainy day woman #12 & 35
- All along the wachtower
- Lay lady lay
- Knockin' on heavens door
- Tangled up in blue
- Hurricane
- Make you feel my love
- Things have changed
- Someday baby
- Forever young
- CD 2
- Most likely you go your way (and I go mine) (Mark Ronson re-version)
- Most likely you go your way (and I go mine) (Original version)
Referenzen
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