Southeast Engine - A wheel within a wheel
Misra / BB*Island / CargoVÖ: 26.10.2007
Morgen schon heute
Man muss sich ja schon mal seelisch darauf vorbereiten: Spätestens im Jahr 2040, wenn es neue Musik nur noch in kleinen Kapseln zum Runterschlucken gibt und dem maschinell am Leben gehaltenen Rupert Murdoch der letzte Musikkonzern der Galaxis gehört, wird Time Life auch eine "Indie-Sound of the 00s"-Compilation auf den Markt werfen. Isaac Brock moderiert dann mit Halbglatze und Gehstock die zugehörigen Werbesendungen auf RupertTV, das 50.000 Tracks starke Angebot zieht man sich mit einem Klick aufs iPhone, und wer in den nächsten zwei Minuten reagiert, kriegt eine Arcade-Fire-B-Seiten-Sammlung dazu geschenkt. Dass man die Leute auch bedeutend einfacher drangekriegt hätte - daran wird sich in dieser fernen Zukunft natürlich niemand mehr erinnern.
Es ist nämlich so: Wer den Indierock des frühen 21. Jahrhunderts hübsch auf einer Platte zusammengefasst haben möchte, braucht eigentlich nur "A wheel within a wheel" von Southeast Engine. Das zweite Album der bisher völlig übersehen Band aus Athens, Ohio ist quasi ein Querschnitt durch Nordamerikas momentane Gitarrenmusik, probiert vieles durch, was da gerade passiert und bringt die entscheidenden Dinge auf den Punkt, die man sich ansonsten mühsam auf Wilco-, Modest-Mouse- und Pavement-Platten zusammensuchen müsste. An die Tiefe dieser Bands reichen Southeast Engine bisher zwar nur in ihren ausgereiftesten Momenten heran - aber selbst das passt dann ja wieder zum (so sicherlich nicht geplanten) Compilation-Charakter ihres Albums. Beschäftigt eine Zeit lang, macht aber eher hungrig als satt.
"A wheel within a wheel" hat allerdings auch eine eigene Geschichte, geschrieben von Adam Remnant, der gerade seinen Lehrer-Job verloren hat und sich nun mit seiner Band durch eine Sinnsuche von wahrlich biblischen Ausmaßen kämpft. Der Prophet Ezechiel spielt dabei eine wichtige Rolle, letztlich lassen sich Southeast Engine aber doch auf jene Themen herunterkürzen, die auch für Menschen essenziell sind, die es nur an Weihnachten und Ostern bis in die Kirche schaffen: Leben, Lieben, Klarkommen, am besten auch noch gleichzeitig. Die Musik dazu ist immer dann mitreißend, wenn sie kurz vorm Überkippen in hysterische Eagle*Seagull-Ekstase von einer Unbeschwertheit abgefangen wird, die man Remnant so nicht zugetraut hätte - seine Lieder sitzen vor allem, wenn er sich wenig Zeit gibt, viel unterbringen muss und trotzdem die Ruhe bewahrt.
Beispielhaft deshalb: das agile Klavier-Treiben von "We have you surrounded", das die letzten 30 seiner 120 Sekunden in einer Leichtlebigkeit versenkt, die man sonst nur auf knirschenden Bierbänken erlebt. Das grandios durch die Mangel gerockte "State of oblivion", von dem vor lauter Selbstaufreibung höchstens ein Häufchen Asche übrig bleibt. Und schließlich "Ezekiel saw the wheel", wieder mit alles anschiebendem Klavier, das der Platte endgültig den Boden ausschlägt. Rock und Folk und Country werden als abgeschliffene und frisch lackierte Worthülsen zurück gelassen. Die Geigen spielen ein letztes Trauerlied, Isaac Brock zieht erstaunt die Augenbrauen hoch und eilig an seiner Pfeife. Vorschlag zur Güte: Man sollte Southeast Engine einen Platz auf der "Indie-Sound of the 00s"-Compilation reservieren.
Highlights & Tracklist
Highlights
- We have you surrounded
- Quit while you're ahead
- State of oblivion
- Ezekiel saw the wheel
Tracklist
- Taking the fall
- Ostrich
- We have you surrounded
- Quit while you're ahead
- Pursuit of happiness pt. 1
- Pursuit of happiness pt. 2
- Psychoanalysis
- Reinventing light
- State of oblivion
- Oh God, let me back in
- Ezekiel saw the wheel
- Fortune teller
- Let it be so
Referenzen