Efterklang - Parades

Leaf / Hausmusik / Indigo
VÖ: 26.10.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Das Archimedische Gesetz

Luftschiffe waren um 1900 herum eine Erfindung, die die Luftfahrt zu revolutionieren versprach. Im Ersten Weltkrieg noch zu militärischen Zwecken eingesetzt, überquerten sie zu Beginn der 1930er Jahre im zivilen Linienverkehr den Atlantik in Richtung USA, ehe mit der Hindenburg-Katastrophe in Lakehurst das jähe Ende der ohnehin auf Dauer nicht konkurrenzfähigen Riesen eingeläutet wurde. Dennoch blieben die enormen, zigarrenförmigen Konstruktionen bis heute ein Mythos, wohl nicht zuletzt dank der stolzen, majestätischen Erscheinung, die sie abgaben, wenn sie sich langsam in die Luft hoben oder wieder gen Boden sanken. Würde einem heute die Aufgabe gestellt, den Flug eines solchen Luftschiffs in Klang umzusetzen, die Dänen von Efterklang hätten gute Chancen, den Zuschlag zu erhalten.

Orchestral müsste diese Musik sein. Groß angelegt, sich mehr und mehr verästelnd, dabei getragen, sich langsam Schicht um Schicht aufbauend und doch zugleich frei von Erdenschwere. Denkt man sich noch das titelgebende Element einer bunten Parade hinzu, die die Passagiere am Boden empfängt, so hat man in etwa einen Eindruck davon, wie Efterklangs zweites Album klingt. Aufnahmen eines Streichquartetts, eines Bläserquintetts und drei verschiedener Chöre wurden mit selbst eingespielten Parts in einem Kopenhagener Bunker zu ausladenden Klangskulpturen zusammengefügt, die förmlich danach lechzen, bildlich ausgedeutet zu werden.

Um wie vieles konkreter diese trotz ihrer Komplexität luftig wirkenden Stücke durch Visualisierung werden, zeigt sich am Trickfilmvideo zu "Mirador". Ausgetüftelt von den dänischen Künstlern Hvass & Hannibal und UFEX taumelt darin eine seltsame Vogelfigur durch eine phantastische Welt, in der aus dem Nichts auftauchende Türen eine Ebene nach der anderen öffnen, um schließlich wieder an den Ausgangspunkt zurückzuführen. Auch die restlichen zehn Stücke regen zu solchen traumlogischen, metamorphosierenden Bildfolgen an. "Horseback tenors" etwa beginnt mit einem Banjo, andere Saiteninstrumente nehmen dessen Zupfen auf, ein Akkordeon gesellt sich mit einem Chor hinzu. Abgelöst werden sie von Streichern und einer Snare wie im Militärmarsch, ehe wieder neue Instrumente das Sagen haben. Stufe um Stufe geht es so höher hinaus, wird die Musik lauter, nimmt an Volumen zu, bis sie gegen Ende wieder zur Ruhe kommt und die Tür ins Schloss fällt.

Was diese vielschichtigen Stücke jedoch brauchen, ist Zeit. Dann entfalten sie ihre Schönheit, während sie zu Beginn noch etwas ziellos zu mäandern scheinen. Zwar treffen die Melodien auch dann nicht mitten ins Herz. Permanente Ergriffenheit ist aber auch nicht nötig, um das Album genießen zu können. Es ist eben wie eine Fahrt im Zeppelin: Man steigt ein, hebt langsam ab, nähert sich allmählich den Wolkenwattebäuschen, schaut hinab auf die kleiner werdenden Menschen und Häuser, sieht unterschiedliche Landschaften vorüberziehen, Flüsse sich durchs Land schlängeln, schneebedeckte Bergriesen fast bis an die Gondel heranreichen und landet schließlich, nachdem man den endlos weiten Ozean überquert hat, sicher und sanft auf der anderen Seite des Erdballs. Eine kathartische Unterweltfahrt ist das selbstredend nicht. Aber man kann ja auch mal irgendwo aussteigen und sich schlicht darüber freuen, dass man von einer bunten Parade in Empfang genommen wird, die freundlich den Hut zum Gruß lüftet, ehe sie im Nichts verschwindet.

(Harald Jakobs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mirador
  • Horseback tenors
  • Caravan

Tracklist

  1. Polygyne
  2. Mirador
  3. Him Poe Poe
  4. Horseback tenors
  5. Mimeo
  6. Frida found a friend
  7. Maison de réflexion
  8. Blowing lungs like bubbles
  9. Caravan
  10. Illuminant
  11. Cutting ice to snow
Gesamtspielzeit: 49:22 min

Im Forum kommentieren

Frank

2010-11-21 23:19:12

Hat jemand die Live-Version "Performing Parades"?
Lohnt sich die Anschaffung?

snörre

2008-09-05 19:57:16

Jetzt in Dortmund. Wer mag, kommt auch fix vorbei...

Manus

2008-09-01 11:11:20

Anna von Efterklang hat ein neues Projekt: OUR BROKEN GARDEN.

nachzuhören auf www.myspace.com/ourbrokengarden

sehr schön, wie ich finde. Sehr, sehr schön! :)

Pelo

2008-08-31 19:55:32

Im September auf Tour mit Peter Broderick!!!!

02.Sep.2008 20:00
Lido / w. Peter Broderick Berlin
03.Sep.2008 20:00
Conne Island / w. Peter Broderick Leipzig
04.Sep.2008 20:00
Scheune / w. Peter Broderick Dresden
05.Sep.2008 20:00
FZW / w. Peter Broderick Dortmund
06.Sep.2008 20:00
Kulturbunker / w. Peter Broderick Cologne
07.Sep.2008 20:00
Arena / w. Our Broken Garden Vienna

blindpilot

2008-03-04 22:54:50

am nordklangfestival in st.gallen ganz grossartig. irgendwie abgedreht aber mit unglaublich viel energie und spielfreude. live also unbedingt zu empfehlen... auf platte konnte ich mich bis anhin noch nicht wirklich damit anfreunden.

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