Kid Rock - Rock n roll Jesus

Atlantic / Warner
VÖ: 12.10.2007
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Heilige Scheiße

Der Künstler Kid Rock ist ein enorm vielschichtiger und breit interessierter wie talentierter Zeitgenosse. Beinahe unmöglich, in der arg begrenzten Zeit eines Menschenlebens ein auch nur annähernd zutreffendes Psychogramm des sensiblen und zurückhaltenden Poeten und Kammermusikers zu entwerfen, entzog sich dieser doch mit gelebtem Anti-Chauvinismus im Privatleben und Ausflügen in experimentellste Musikgenres immer wieder zuverlässig den engen Grenzen der üblichen Schubladen und Klischees. Verschwenden wir also keine weiteren Worte und lassen den Maestro durch einige ganz zufällig ausgewählte Songtitel selbst zu Wort kommen, in denen er sich äußerst subtil selbst stilisiert hat: "Pimp of the nation", "Early mornin' stoned pimp", "Cowboy", "Devil without a cause", "American badass", "Cocky", "Motherfucker quite like me".

Lässt man den Spaß beiseite, entbehrt die neue Heiligkeit als "Rock n roll Jesus" für europäische Augen und Ohren nicht einer gewissen Ironie. Schließlich prangt auf dem Album wie eh und je der obligatorische "Explicit lyrics"-Sticker, und das Booklet versammelt alle weiteren Kid-Rock-Accessoires: pralle Brüste, heiße Öfen und Herr Rock in Fellmantel, Cowboy-Stiefeln und mit Hut plus Poserbrille bzw. mit Muskelshirt und Gitarre im Schaukelstuhl auf der Veranda einer Südstaaten-Bretterbude. Der ewiggleiche Wunsch-/Alptraum zwischen Redneck-Loser und Großstadt-Poser.

Um Kid Rock endgültig amerikanischer als Coca Cola und McDonald's zu machen, war neben Knarre, Pimp- und Partylifestyle und Flaggen-Patriotismus tatsächlich nur noch die ordentliche Dosis Gott nötig. Ganz so inspirierend scheint die wohl marketingbedingte Begegnung mit dem Herrn aber nicht ausgefallen zu sein, außer dem Titeltrack und den beiden Gospelnummern "Amen" und "When u love someone" drängt sich Religion weder musikalisch noch inhaltlich in den Vordergrund. Der Rest des Albums schöpft stattdessen mit großer Kelle aus dem selben kleinen Eimerchen, aus dem Kid Rock schon die letzten Alben goss: Hard Rock, Southern Rock und Country sind die Konstanten, die den untoten New Metal endgültig verdrängt haben, nur "Sugar" disqualifiziert sich noch durch antike Raps. Und als neues Ärgernis unter vielen kommt jetzt auch noch gelebte Blasphemie dazu.

Ansonsten regiert Zurückgelehntheit: "All summer long" zitiert ganz offen "Sweet home Alabama", "New Orleans" verbeugt sich vor dem Blues des Mississippi-Delta, und in "Half your age" wird textlich zu lupenreinem Country gegen die verflossene Pam Anderson nachgetreten. Die Rock-Dichte hat gegenüber dem Vorgänger noch mal abgenommen, das aktuelle Album bedient bereits optimal Farmerssöhne mit Pick-up-Truck und zu viel Blutalkohol. Die werden sich freuen.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New Orleans

Tracklist

  1. Rock n roll Jesus
  2. Amen
  3. All summer long
  4. Roll on
  5. So hott
  6. Sugar
  7. When u love someone
  8. New orleans
  9. Don't tell me you love me
  10. Blue jeans and a rosary
  11. Half your age
  12. Lowlife (Living the high life)
Gesamtspielzeit: 57:08 min

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