
Róisín Murphy - Overpowered
Capitol / EMIVÖ: 12.10.2007
Familiar feeling
Wenn sich einem die Fußnägel vor ästhetischer Pein nach oben rollen, muss schon Arges passiert sein. Leider ist diesmal nicht das neueste Selbsterfahrungsbuch einer deutschen Fernsehfrau schuld an der Erfahrung des Grauens, sondern einige Tracks vom neuen Róisín-Murphy-Album. Dabei gab "Ruby blue", das Solodebüt der ehemaligen Moloko-Frontfrau, noch keinen Anlass zur Klage. Aufgenommen in Zusammenarbeit mit Matthew Herbert gab es darauf eine distinguierte Variété-Mischung aus Herberts bekannten Sampleschnipseln, seinem Hang zu Jazz- und Big-Band-Sounds sowie Murphys famoser Stimme zu hören. Nach der Trennung von Moloko-Kollege und Lebenspartner Mark Brydon bedeutete "Ruby blue" seinerzeit einen radikalen, aber gelungenen Kurswechsel weg vom TripHop-Sound. Für den Nachfolger "Overpowered" hat sich Murphy nun mit dem Londoner Produzenten und DJ Paul Dolby alias Seiji und Bugz In The Attic zusammengetan. Und siehe da, heraus kommt eine stilistische 180-Grad-Wendung zurück zu tanzbarer Elektronik. Doch leider nicht immer mit Erfolg.
Das liegt in erster Linie daran, dass einige Tracks des Albums eher Soundtrack zum Bügeln als gute Popmusik sind. So gründet der Albumopener "Overpowered" auf einem eher einfallslosen Beat, der sich so dahinschleppt, bis er eben nicht mehr gebraucht wird. Wie relativ belanglos der Song trotz der ihn ein wenig aufpeppenden Harfensounds im Grunde ist, merkt man vor allem im Vergleich zu "Pure pleasure seeker" und "Familiar feeling", den Eröffnungsnummern der beiden letzten Moloko-Alben. An diesem Standard muss sich Murphy nun einmal messen lassen. Als Discohouse kommt "You know me better" daher, doch auch dieses Stück rauscht zum einen zu schnell an einem vorbei, zum anderen ist sein Beat recht offensichtlich bei der Kitsuné-Version von "Inflation" von The Whitest Boy Alive abgeschaut. Freilich war "Inflation" ein Hit, was das etwas zuckrige "You know me better" kaum schaffen dürfte.
So merkt man erst bei "Checkin' on you" das erste Mal auf, einem feinen Stück TripHop wie zu besten Moloko-Zeiten. "Let me know" belebt dann erneut Disco wieder. Zwar ist auch diese Singleauskopplung eher glatt geraten, aber sie funktioniert. Der alberne Pfannkuchenhut, den sie im zugehörigen Video trägt, wird Murphy allerdings dereinst noch einmal Leid tun. In dieser Berg- und Talfahrt geht es dann weiter bis zum Ende. "Footprints" lehnt sich stark an den Neo-Disco-Sound von Metro Area an, bleibt aber hinter dessen deeper Funkyness etwas zurück. "Scarlet ribbons" schließt dann als der stärkste Song das Album mit wunderbar schlichtem Soul ab. Dazwischen gilt es noch zwei wahre Ausgeburten der Hölle auszuhalten. "Movie star" hat den fürchterlichsten Synthieteppich zwischen Dublin und Kalkutta, während "Cry baby" gerne ein elektroider Clubsmasher sein möchte, mit seinem schäbigen Beatgeratter allerdings maximal für die Großraumdiskothek auf der grünen Wiese taugt.
Trotz dieser beiden Totalausfälle und gelegentlichem Schwächeln ist "Overpowered" noch ein brauchbares Album geworden. Die verspielte Experimentierfreude, wie sie auf "Things to make and do" regierte, oder die ruhigere Stilsicherheit von "Statues" sind allerdings einem gewissermaßen abwaschbaren Sound gewichen. Gut ist Murphy immer da, wo sie einfach versucht, gute elektronische Popmusik zu machen. Das ist immerhin bei der Hälfte des Albums der Fall. Wenn sie hingegen die Zuckerwatte auspackt oder nach aktuellen Trends schielt, schießt sie leider nur Eigentore. Und dabei macht selbst eine Frau wie Róisín Murphy eine schlechte Figur.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Checkin' on me
- Footprints
- Scarlet Ribbons
Tracklist
- Overpowered
- You know me better
- Checkin' on me
- Let me know
- Movie star
- Primitive
- Footprints
- Dear Miami
- Cry baby
- Tell everybody
- Scarlet Ribbons
Im Forum kommentieren
nagolny
2025-03-19 20:07:35
Bei MOLOKO fand ich sie toll.
Der Wanderjunge Fridolin
2025-03-16 10:53:34
Mit 6/10 damals ganz schön unterbewertet. Die vergangenen fast 13 Jahre haben dem Album keineswegs geschadet. Ganz im Gegenteil, in meinen Ohren klingt das sehr frisch.
Mixtape
2009-07-20 22:07:40
An der Stelle möchte ich mal auf das großartige "Yellow moon" gemeinsam mit Marius deVries verweisen, das gerade rausgekommen ist.
...
2009-07-20 20:58:13
2 gute nachrichten für roisin fans
1. roisin ist schwanger!!! (glückwunsch!)
2. eine neue single namens "demon lover" kommt ende des sommers, das noch unbetitelte neue album ende 09/anfgang 10
ich freu mich
Eberhard
2007-12-29 01:52:58
schon sehr gute musik. man muss sich eben etwas drauf einlassen, das stimmt schon...
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