Rock Plaza Central - Are we not horses

Yep Roc / Cargo
VÖ: 10.08.2007
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die trojanische Band

Anfang des Jahrtausends verschluckten sich Elite-Cineasten kurz an ihrem vergoldeten Popcorn, als durchsickerte, dass Steven Spielberg die sterblichen Überreste von Stanley Kubricks letzter Filmidee "Artificial intelligence" aufarbeiten würde. E.T. Senior machte daraus die Geschichte eines Roboterjungen, der am Menschsein kaputt ging, ohne jemals Mensch gewesen zu sein; es war weniger ein Film als eine Endlosschleife durch Kubricks Hirn, in der man vermutlich für immer verloren gegangen wäre, wenn einen die Putzkolonne nicht irgendwann aus dem Kino gekehrt hätte. Was auf der Leinwand scheiterte, siegte im Kopf. Was unverfilmbar blieb, funktionierte zumindest als Idee, die fünf Jahre später eher zufällig von Rock Plaza Central aufgesammelt wurde.

"Are we not horses" ist "A.I." aus einem anderen Blickwinkel, umgesetzt natürlich mit abweichenden Mitteln und verfeinert in den entscheidenden Momenten. Aus Roboterjungen werden bei Rock Plaza Central, dem 2003 zur vollbesetzten Band angeschwollenen Ex-Soloprojekt von Musiker/Schriftsteller Chris Eaton aus Toronto, Robotergäule. An die Stelle der Suche nach menschlicher Identität treten die Zweifel einer Herde von elektrischen Rennpferden, die sich zwischen zwei Derbys ihrer eigenen Künstlichkeit bewusst werden. Menschen und Engel verheddern sich dabei auch noch irgendwie in einen Krieg. Und die daraus resultierende Sinnkrise überführen Rock Plaza Central auf ihrer ausgezeichneten zweiten Platte in eine musikalische Mischung aus Balkan-Blues, geräumigem Indie-Rock-Verständnis, kommunistischem Zeltlagersingkreis und, nun ja, Neutral Milk Hotel.

Allein schon die gesanglichen Ähnlichkeiten zwischen Eaton und Jeff Mangum rechtfertigen den Vergleich, der Rock Plaza Central bis zu ihrem Karriereende am Knöchel hängen wird wie eine elektrische Fußfessel. Beide müssen sich der Kraft ihrer unbehauenen Stimmen immer schon bewusst gewesen sein, haben nie viel geübt oder sich um kleinere Ungenauigkeiten gekümmert. Es sind aber auch die windschief komponierten Lieder, die zerdellten Bläser und der allgemeine Mut zum Unfertigen, die Rock Plaza Central nahe zu Neutral Milk Hotel rüberrücken. Wo Mangums Songs allerdings zur immerwährenden Coming-of-Age-Geschichte wurden, die ihm letztlich den Spaß an der Musik nahmen, ist es bei Eaton und seiner kleinen Bigband ein exzellenter Sockenschuss, an dem sich alles entzündet, lange Zeit hochzieht und schließlich über die Einzelteile einer losen Songsammlung hinauswächst.

Rock Plaza Central scheinen sich dabei von innen aus ihren Stücken herauszuschälen. Sie fangen meist bei Stahlsaiten und Quengelstimme an, bevor sie mit beunruhigten Streichern und schallgedämpften Trompeten, Akkordeon, Klavier, Banjo, Posaune und kämpferischer Percussion immer neue Wände in ihren Lieder durchbrechen. Irgendwann stehen sie schließlich draußen, kriegen endlich Luft und blicken auf die Reste von zwölf ausgehöhlten Songs, während einsame Geigen die Beerdigungsmusik dazu spielen. "My children, be joyful" funktioniert so und noch etwas besser als die anderen Lieder auf "Are we not horses". Es ist weniger Anleitung als Aufforderung zum Glücklichsein, so oft und eindringlich wiederholt, dass einem irgendwann gar nichts anderes mehr übrig bleibt.

Überhaupt ist Beharrlichkeit der Trick dieser Platte. "I am an excellent steel horse" erweckt sie noch mit einer seltenen Sorte Erhabenheit im Sinn, der nichts Überhebliches oder Blasiertes anhaftet, bevor "How shall I to heaven aspire?" dann die nervöse und nervös machene Seite von Rock Plaza Central offen legt. Die ungezogene Schulklasse aus "When we go, how we go (Part 2)" verdankt ihr die beste Musikstunde aller Zeiten. Meistens geht es "Are we not horses" aber doch um sanftere Formen von Schönheit, auf die man nur als Normalsterblicher kommen kann, der weiß, dass er nicht ewig Zeit hat. Der Schlüsselsatz dazu: "Our hearts will not rust" - ein letzter Fetzen Gewissheit, den Rock Plaza Central uns und ihren Geschichten vom Pferd zugestehen.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I am an excellent steel horse
  • My children, be joyful

Tracklist

  1. I am an excellent steel horse
  2. How shall I to heaven aspire?
  3. My children, be joyful
  4. Anthem for the already defeated
  5. Fifteen hands
  6. Are we not horses?
  7. When we go, how we go (Part 1)
  8. Our pasts, like lighthouses
  9. 08/14/03
  10. Our hearts will not rust
  11. When we go, how we go (Part 2)
  12. We've got a lot to be glad for
Gesamtspielzeit: 38:45 min

Im Forum kommentieren

modestmarc

2009-07-14 19:40:33

Es gibt übrigens ein neues Album mit dem schönen und langen Titel "At the moment of our most needing or if only they could turn around, they would know they weren't alone".
Werde mal reinhören, bin gespannt.

conorocko

2008-04-22 21:20:00

ein Spitzenalbum, immernoch

Kilian

2008-01-06 01:28:55

verdammt warum tauchen die nicht in den Jahrescharts auf??

ist doch so ein tolles Album... :-/

m.caliban

2007-10-27 16:33:56

und wie siehts mit ner Tour aus, anyone?

2007-10-27 12:02:15

http://www.plattentests.de/forum.php?topic=25104&seite=1

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