The Race (US) - Ice station

Flameshove / Al!ve
VÖ: 03.08.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Gefrierbrand

The Race drehen am Rad. An dem der Geschichte. Sänger Craig Klein, der belesene Kreativkopf der Band aus Chicago, hat ein Faible für die Abgründe der Vergangenheit. Als wäre das ganze Elend der zivilisierten Welt auf seine Schulterblätter tätowiert, jammerte er auf dem 2004 erschienenen "If you can" in bester Thom-Yorke-Manier und zog dabei wohl ein Stückchen zu viel Dunkelheit an die Oberfläche. Denn kurz danach stand die Band vor dem Zusammenbruch und wurde von einer nicht unähnlichen anderen Band aus England überholt, die unter gleichem Namen "Be your alibi" veröffentlichte. Die amerikanischen The Race nahmen sich indes ihre Auszeit, und Craig fand sich zwischen verstaubten Bücherregalen in der öffentlichen Bibliothek von Chicago wieder.

Musikalisch dem distanzierten New-Wave-Sound verpflichtet, werfen sich die neu formierten The Race auf "Ice station" in eines der dunkelsten Kapitel der sowjetischen Geschichte. Angeregt durch eine Bibliotheks-Ausstellung zum stalinistischen Gulag-System, befasste sich Craig Klein mit Alexander Solschenizyns Erzählung "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch", welches den gleichgeschalteten Ablauf eines russischen Arbeitslagers in Sibirien beschreibt. Als Gefangener dieser unwirklichen Welt werden Träume zu glitzernden Schneekristallen, die, sobald sie den Boden berühren, zu einem weißen Masse verschmelzen.

Mit morbider Schönheit gleitet Craig Klein durch das mittlerweile vierte Album von The Race. "It feels like we've been lost forever / Blown around like feathers", heißt es im unterkühlten Opener, der das Leitmotiv von "Ice station" deutlich macht. Mit frostigen Synthies und klirrendem Gitarrenhauch trotten The Race in "The shortest way to china" durch flockenverhangene Fernen, schnallen sich im Titeltrack die Schlittschuhe an, um etwas schneller voran zu kommen und treiben in "Odessa" die Temperatur weit unter den Gefrierpunkt.

Mit in Eis geschlagenen Silben werden die grausamen Weiten der sibirischen Taiga beschworen, die trotz ihres lebensfeindlichen Territoriums eine ungemeine Faszination ausübt. "The sky breaks into stars / The stars breaking apart / And they shatter in shards / They can't tear us apart", schlottert Craig in "Evil love", und am Horizont spiegeln sich Polarlichter, die einen Hauch harmonischer Göttlichkeit in die sibirischen See projizieren. Eine kalte Ruhe, kein Möwengebrüll, nur das beängstigende Flüstern der sich brechenden Wellen.

The Race zelebrieren auf "Ice station" einen Elektro-Pop-Kult der Kälte. Ganz langsam gleiten die echoverzehrten Beats vom Hals die Wirbelsäule zum Steiß hinab. Die Mittelfinger sind längst erfroren, reiben sich in "Walls" an den vereisten Stangen des Gefängnisses. Das Herz zuckt trotzig, als wäre das Leben schon längst vorbei - keine Wärme, kein lebendiges Pulsieren, kein Schneller- oder Langsamerwerden, nur ein Dröhnen, Donnern, Krachen, wie von einem Schmiedehammer, der unerbittlich die Realität meißelt. Eine Realität, die im letzten Song den Kältetod stirbt.

(Steffen Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Feathers
  • Walls
  • Stand by

Tracklist

  1. Feathers
  2. The shortest way to china
  3. Ice station
  4. Odessa
  5. Evil love
  6. Walls
  7. Evil dove
  8. Crack goes the lake
  9. A kind of solution
  10. Stand by
  11. Wandering eye
Gesamtspielzeit: 40:46 min

Im Forum kommentieren

Paul Paul

2007-08-07 14:24:13

Gab's leider nicht. Schade, hätte eine 8/10 verdient. Schön eigenständig.

Paul Paul

2007-08-07 09:25:27

Also ich hab's einmal gehört und bin ganz begeistert, wollte mich gleich auf mein Rad in Richtung Stadt schwingen und mir das Ding kaufen...

Paul Paul

2007-08-07 01:38:31

dto.

Kilian

2007-08-06 23:39:30

Also die myspace-Songs finde ich schonmal ganz hervorragend. Mal schaun was das Album so kann...

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