Devotchka - How it ends

Anti / SPV
VÖ: 03.08.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die vereinten Nationen

"Multikulti ist gescheitert!" Wir haben's ja verstanden, Herr Buschkowsky. Parallelgesellschaft ahoi, Segregation olé - oder vielleicht doch lieber noch mal Devotchka hören? Auf Denver, Colorado lässt sich diese Band als Heimatort halbwegs festnageln, in Wahrheit aber hat ihre Musik mindestens die ganze westliche Welt gesehen und ist längst auch schon dabei, sich mit dem näheren Osten vertraut zu machen. Was im Untereinander der Kulturen offenbar immer schwieriger wird, ist hier so selbstverständlich, dass überhaupt nicht zur Diskussion steht, es irgendwie anders machen. Wo sich sonst politische Interessen und Platzhirschängste im Weg stehen, haben es Devotchka einfacher, sie machen ja nur Musik. Musik wie ein globales Dorf, in dem alles ums gleiche Lagerfeuer tanzt, was gerade nicht mehr zu einem abgeschmackten Begriff wie "Weltmusik" passt.

Noch erbarmungsloser als im letzten Jahr auf Beiruts "Gulag Orkestar" funktioniert die Vermischung musikalischer Gesinnungen auf Devotchkas dritter Platte "How it ends". Außerdem weniger geisteskrank als bei Gogol Bordello oder Man Man und mit einer Waffenkammer voll Instrumente, in der sich auch Sufjan Stevens gerne mal umsehen würde. Das Album, in den USA schon 2004 erschienen, teleportiert sich in ewiger Unruhe zwischen mexikanischen Mariachi-Trompeten und litauischer Polkamusik hin und her, hämmert plötzlich "Samba de Janeiro"-Drums in den Boden, walzert an der Quetschkommode über den Balkan und hetzt minderbemittelte Stierkämpfer durch die Gassen von Pamplona. Kontrabass, Theremin, Geige, Klavier und das tubaähnliche Sousaphon haben sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal eingeschaltet. Eine erste Idee von "How it ends" sollte aber stehen.

Geerdet und weitgehend zusammengehalten wird die Platte dabei von Nick Uratas bebendem Gesang, der sich nicht fürchtet vor langen Silben, schwierigen Höhen und plötzlichem Überkippen. Schon zum ersten Refrain des unendlich bedrückten "You love me" greift ihm Jeannie Schroeder, im Bandgefüge Bassistin + x, so selbstlos unter die Arme, dass man die Liebe nicht als jenen Irrtum begreifen will, zu dem sie hier gemacht wird. "The enemy guns" ist danach das abgehetzte E-Gitarren-Stück, freilich erweitert um Akkordeon, Kuhglocken, Fiedel und trockenes Pfeifen, bis es reif wird für die Verfolgungsjagd im nächsten Tarrantino-Film. Und kurz vor der Albummitte schon steht dann "How it ends", der Song, auf den hier alles hinausläuft, ein siebenminütiges Sehnen und Zehren von der eigenen Ungewissheit, runtergebrochen auf zwei nackte Töne E-Piano.

Letztes Jahr war dieser Song zum heimlichen Star des großartigen Familienselbstfindungsfilms "Little Miss Sunshine" geworden, dessen Soundtrack weitgehend von Devotchka stammte. Den "Bestes Lied"-Oscar gewann dann Melissa Etheridge, go figure, aber darum geht es heute natürlich nicht mehr, wo sich "Charlotte Mittnacht" am Klezmer abarbeitet und "Such a lovely thing" die Volksmusik in den Plural setzt. Manchmal streift "How it ends" damit allzu nahe am entnervenden Kirmesgedudel vorbei, ist vielleicht auch nur zu konsequent in seinen Melting-Pot-Bemühungen für die empfindlichen Ohren, die hier an der Tastatur sitzen. Was zählt, ist so oder so, wie es sich über seine Rastlosigkeit zur Platte der Abschiede entwickelt, in der eigenen Vielfalt niemals ein Zuhause findet und schließlich zum Staatenlosen der einschlägigen Musikszene wird. "You only love me when I'm leaving", Urata sagt es selbst. Wahrscheinlich das Schicksal einer solchen Indierock-UNO.

(Daniel Gerhardt)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • You love me
  • How it ends

Tracklist

  1. You love me
  2. The enemy guns
  3. No one is watching
  4. Twenty-six temptations
  5. How it ends
  6. Charlotte Mittnacht (The fabulous destiny of ...)
  7. We're leaving
  8. Dearly departed
  9. Such a lovely thing
  10. Too tired
  11. Viens avec moi
  12. This place is haunted
  13. Lunnaya pogonka
  14. Reprise
Gesamtspielzeit: 57:02 min

Im Forum kommentieren

Bonzo

2022-03-22 20:54:44

Letztens nach Ewigkeiten wieder "Alles ist erleuchtet" gesehen. Dazu dann nach 14 Jahren wieder dieses Album ausgepackt. Puh macht das traurig. Wenn man sich es komplett geben will, hört man hinterher direkt Gulag Orkestar. Beides Alben die ich immer schon aus irgendwelchen Gründen mit Ukraine verbunden habe.

Deaf

2007-08-28 09:00:13

Das Album gefällt mir, auch wenn es gegen Ende etwas abfällt. 7/10 gehen in Ordnung. Schade, dass es nicht noch mehr gitarrenlastige Songs wie "Enemy Guns" hat.

Armin

2007-08-01 19:55:40

Am Freitag erscheint das DEVOTCHKA Album "How It Ends" auf ANTI/SPV. Die Band mischt Weltmusik Elemente, mit Folk, Indie und American Roots Sounds.
U.a. war sie auch schon auf dem Little Miss Sunshine Film-Soundtrack vertreten.

Am 16.08.2007 wird es eine Exklusiv Deutschland-Show im Kölner Underground geben.



Einen Eindruck ihrer Live Performance kannst Du Dir unter folgenden Link verschaffen:
http://www.youtube.com/watch?v=ZsrRQNv-aT4

Songs vom neuen Album findest Du auf ihrer MySpace Seite: www.myspace.com/devotchkamusic

The Triumph of Our Tired Eyes

2007-07-31 11:29:50

Das mit dem traurig gefällt mir schon mal. Hoffentlich ist der Gesang gut.

Deaf

2007-07-31 11:12:55

Eher traurig.
Eher Beirut als Okkervil River.

Aber vielleicht hat es auf dem Album auch noch ein paar Überraschungen.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum