
Portugal. The Man - Church mouth
Fearless / Defiance / CargoVÖ: 20.07.2007
Transformers
Es ist eine weit verbreitete Fehlinformation, dass John Gourley der Kopf von Portugal. The Man sei. Eher schon ist es so, dass er in einer Doppelrolle als Engelchen und Teufelchen auf den Schultern eines grotesken Gebildes sitzt, das sich aus den restlichen, schon rein optisch bunt zusammen gewürfelt scheinenden Bandmitgliedern, ergänzt. Kein Zweifel, Gourley gibt die Kommandos; man kann nur nicht sicher sein, ob er auch immer das Wohlergehen der Gruppe im Auge hat, wenn er sie durch ihre pfiffigen Schlagzeug-, Bass- und Keyboardverrenkungen peitscht, gegen scharfkantige Gitarrenriffs schubst und dazu mit einer Kopfstimme singt, die vielleicht so heißt, weil man Kopfweh davon kriegt. Großartig war es trotzdem, das Musik gewordene Bodyfit-Workout des Portugal.-The-Man-Debüts "Waiter: 'You vultures!'". Es hilft einem nur heute nicht mehr weiter.
"Church mouth" ist der schnelle Nachfolger, den man nach der verzögerten Deutschland-Veröffentlichung von Portugal. The Mans Debüt erwartet, aber keinesfalls das zweite Album, auf das man sich vorbereitet hatte. Die Songs prallen nicht mehr wie Auffahrunfälle gegeneinander, die Aufmerksamkeitsspanne der Band hat sich deutlich verlängert, der Keyboardeinsatz wurde minimiert und es gibt sogar Stücke, die ganz durchkommen, ohne sich einmal inside out zu krempeln. In ihrer durch- und bedachten Art möchte man die Platte beinahe "erwachsene Popmusik" nennen, so auffällig ist es diesmal, dass Portugal. The Man ihren Songs mehr Zeit zum Heranwachsen und Großwerden gegeben haben. Und trotzdem bleibt das Gefühl der Aufgeräumtheit, das "Church mouth" umgibt, eher unbestimmt. Als wüsste man, dass all die vielen Spielsachen lediglich arglos unters Bett gekehrt wurden.
Paradoxerweise macht es einem diese neue Ordnung zunächst schwer mit "Church mouth". An der Oberfläche wirkt die Platte gleichförmig und seltsam unaufgeregt. Es fehlen die Ausraster und der unbedingte Wille zum Spektakulären, die "Waiter: 'You vultures!'" immer wieder getrieben hatten. Dabei ist auch "Church mouth" ein mehrdimensionales Album - es macht nur keine so große Show daraus wie sein Vorgänger. Statt sie durch abrupte Breaks voneinander zu trennen, lassen Portugal. The Man ihre Schweinereien diesmal vornehmlich gleichzeitig passieren, leiern sich gerne mal eine zweite Gitarrenlinie aus der Seite, die quer durch den eigentlichen Song verläuft und muten insbesondere ihrem Schlagzeuger Jason Sechrist ein deutliches Mehr an Arbeit zu. Kleine Dellen, kurze Kratzer. So ein Album ist "Church mouth" geworden.
Der synthetisch aufpolierte Glanz von "Waiter: 'You vultures!'" wurde indes gegen eine deutlich dreckigere Produktion eingetauscht; vor allem die degenerierten Classic-Rock-Ideen von "Telling tellers tell me" und der "One hot minute"-Funk aus dem besonders nachdrücklichen "The bottom" dürfen sich diesmal die Schuhe schmutzig machen. Staub wirbelt auch die sumpfige Blues-Überholung "Bellies are full" auf - die Luftfeuchtigkeit wird ohnehin stetig höher, während Gourley pflichtbewusst in seiner neusten Rolle als Wanderprediger für die gute Sache aufgeht. Mehr Zweifler als Gläubiger, beschäftigt er sich mit Jesus am Kreuz und der Religion im Straßengraben. Seine Sprache ist zwar klarer geworden, deshalb aber längst noch nicht verständlich.
Sowieso bleibt der Sänger Portugal. The Mans einzige Unkonstante. Nicht Manns genug für einen ordentlichen Rocksänger, zu tief über seine groovelastige Gitarre gebeugt, um wirklich der abgebrannte Crooner zu sein, der er gern wäre. Wenn er zwischen diesen Fixpunkten schwankend im liebevoll zugestellten Stimmenwirrwarr von "Sugar cinnamon" sein eigener Souffleur wird oder das Titelstück durch einen plötzlichen White-Stripes-Polterteil leitet, ist es aber gerade ihr letztes bisschen Inkonsequenz, das Portugal. The Man definiert. Die Band bleibt sprunghaft und unscharf - nur deshalb kann sie sich so gut an Songs wie "Oh Lord" anpassen, das ihnen nicht mal mit Kinderklavier, Fake-Streichern und Akustikgitarre entgleitet. So langsam also begreifen diese Jungs, was sie anzurichten imstande sind. Von hier an können sie nur noch gefährlicher werden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Church mouth
- Sugar cinnamon
- Oh Lord
- The bottom
Tracklist
- Church mouth
- Sugar cinnamon
- Telling tellers tell me
- My mind
- Shade
- Dawn
- Oh Lord
- Bellies are full
- Children
- The bottom
- Sleeping sleepers sleep
- Sun brother
Im Forum kommentieren
fuzzmyass
2024-12-08 19:55:07
Ich fand auch die letzten paar Alben ziemlich stark, eigentlich tolle Diskographie... besonders Evil Friends grandioses Pop Album
AliBlaBla
2024-12-08 14:43:57
Also, ich habe alles auf Tonträgern, mag vor allem
"In the Mountain in the cloud" (2011, 9/10) und "Evil Friends" (2013, 8/10), die etwas, nun, poppigeren, aber auch schön abgespaceden Alben!
Der Welthit hat Ihnen meiner Meinung nach nicht so gut getan [für die musikalische Entwicklung, persönlich bestimmt schon ;) ], live aber gerne immer....
Affengitarre
2024-12-08 14:13:49
Ich bin bei der Band auch irgendwie etwas zwiegespalten. Das Debüt fand ich immer besonders klasse, der Rest hat mich dann nie so wirklich gecatcht. Wobei ich "Waiter. You Vultures!" letztens wieder durchgehört habe und nicht mehr ganz so beeindruckt war wie damals. :D
The MACHINA of God
2024-12-08 13:42:49
Irgendwie war das immer das einzige Album von denen, was ich richtig gut fand. Überlege nochmal nen Anlauf in die Diskographie zu nehmen.
napoleon dynamite
2009-09-18 09:21:22
ich hab die band auch schon 2 mal live gesehn :)
ich glaub im november kommen sie wieder nach stuttgart ins schocken. werd ich mir auch nich entgehen lassen.
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