Ayreon - Flight of the migrator

Transmission / Point
VÖ: 22.05.2000
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Eine kurze Geschichte der Zeit

Dafür, daß die niederländische Formation Ayreon hierzulande eigentlich nur in absoluten Prog-Insider-Kreisen bekannt ist, erscheint es mir ziemlich gewagt, zwei Alben separat anstelle in Form eines Doppelalbums zu veröffentlichen. Sowas haben sich bisher eigentlich nur Megaseller wie Guns 'N Roses zu ihren besten Zeiten erlauben können. Andererseits macht eine solche Aufsplittung im Falle des "Universal migrator"-Zyklus durchaus Sinn, denn beide Alben verfolgen jeweils unterschiedliche Textkonzepte. Aber auch die Musikstile variieren. Während auf dem ersten Teil "The dream sequencer" atmosphärische Synthesizer-Klänge dominieren, wird auf "Flight of the migrator" durchaus mal die Axt hervorgeholt.

Die Story sieht wie folgt aus: Nachdem der Protagonist des ersten Teil (siehe Review zu "The dream sequencer") von dem Besuch seiner Inkarnationen zurückgekehrt ist, unternimmt er nun die ultimative Reise zum Beginn des Lebens, des Universums und des ganzens Rests. Sie führt ihn vom Urknall bis hin zur Entstehung des Blauen Planeten. Schade nur, daß just am Beginn unseres Sonnensystems der "Dream sequencer" abraucht, so daß unser Held als "The new migrator" (sowas wie das höhere Wesen) sein Dasein fristen darf. Klingt ziemlich abgefahren, ist aber durchaus stimmig dargestellt. Das entsprechende Fundament hat sich Bandchef, Hauptsongwriter, Gitarrist, Bassist und Vordenker Arjen Lucassen bei Stephen Hawking geholt, so daß es rein wissenschaftlich eigentlich nichts zu mäkeln gibt.

Anlaß zur Kritik gibt eher die musikalische Umsetzung. Im Label-Info vollmundig als "gefüllt mit pulverisierenden Metal-Songs" angepriesen, setzt zumindest beim Rezensenten in der zweiten Hälfte die gepflegte Langeweile ein. Dabei fängt alles so toll an. Bereits der erste Song nach dem Intro, "Dawn of a million souls", glänzt mit einem Keyboard-Solo, das Tastenlegende Jon Lord nicht besser aus der Klimperkiste hätte drücken können. Es folgt eine hervorragende Gesangsleistung von Primal Fear-Frontmann Ralf Scheepers ("Journey on the waves of time") sowie das ebenfalls sehr starke "To the quasar", ausgerüstet mit fetten Riffs, die ein ums andere Mal an Dream Theater erinnern. Höhepunkt des Albums ist allerdings das monumentale "Into the black hole", in dem der ehemals verlorene Iron-Maiden-Sohn Bruce Dickinson sein ganzes Können unter Beweis stellt: für mich einer der grandiosesten Songs, die Mr. Dickinson jemals eingesungen hat. Danach ist aber wie gesagt leider Schluß mit lustig. Irgendwie scheint Freund Lucassen beim Songwriting die Luft ausgegangen zu sein und seine Gäste passen sich dieser Leistung leider an (beispielsweise Timo Kotipelko, der bei "Out of the white hole" nicht für fünf Pfennig an die Leistungen herankommt, für die man ihn bei seiner Hausband Stratovarius kennt). Fakt ist, daß der Rest ziemlich uninspiriert im Midtempo-Bereich vor sich hin läuft.

Dennoch ist diese Scheibe nicht so durchschnittlich wie sie jetzt vielleicht erscheinen mag. Einerseits gibt es den Überhammer "Into the black hole", der mir jetzt, da ich diese Zeilen in die Tasten haue, ein ums andere Mal wieder eine Gänsehaut verpaßt. Andererseits muß aber auch der Mut, in der Zeit des Formatradios zwei separate Alben zu veröffentlichen, noch dazu jeweils mit einem Konzept, das wirklich Zeit braucht, um verstanden zu werden, honoriert werden. Denn, das haben diverse Diskussionen in jüngster Zeit gezeigt, heutzutage nehmen sich die Leute leider keine Zeit mehr, in ein Konzeptalbum wirlich einzutauchen und die beschriebene Handlung anhand der Musik mitzuerleben. So sehr ich Lucassen den kommerziellen Erfolg dieser Alben gönnen würde, so wenig habe ich die Hoffnung, daß dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Into the black hole
  • Journey on the waves of time

Tracklist

  1. Chaos
  2. Dawn of a million souls
  3. Journey on the waves of time
  4. To the quasar
  5. Into the black hole
  6. Through the wormhole
  7. Out of the white hole
  8. To the solar system
  9. The new migrator
Gesamtspielzeit: 65:36 min

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