Emily Haines & The Soft Skeleton - Knives don't have your back
Grönland / CargoVÖ: 22.06.2007
Monotonien für Millionen
Emily Haines ist wie ein Schwan ohne Federn. Ein Pferd ohne Nüstern? Ein Engel ohne Flügel? Ein Herz ohne Blut? Noch mehr? Sobald Introspektion und Melancholie einen Tonträger bestimmen, hämmert der Vergleichsapparat im Hirn des Schreiberlings. Dann werden Melodien in Holzfällerhemden gesteckt, die Künstler schwarz gekleidet, mit dicken Brillen versehen und die Atmosphäre mit fallenden Ahornblättern und regennassen Wolkenfeldern am herbstlichen Firmament verglichen. Bis hin zu suizidalen Interpretationen liegt alles im Bereich des Möglichen. Schluss damit! Um zu beweisen, dass es auch anders geht, ist dieser Text sowohl metaphern- als auch vergleichsfrei. Zumindest für diesen Absatz sei es ab jetzt versprochen. Die große Beichte: "Knives don't have your back" ist ein kein gutes Album. Für mehr direkte Offenheit reicht es noch nicht. Aber wir arbeiten daran, der Phantasie und der seelischen, bilderreichen Musikverarbeitung Einhalt zu gebieten.
Um der hier besprochenen Künstlerin gerecht zu werden ein kurzer Auszug aus ihrem musikalischen Schaffen: Die New Yorker Power-Post-Punk-Tanztruppe Metric nennt Emily Haines ihr dominierendes Eigen. Mit einem Funken an Losgelöstheit und Traumwandlerei staffieren sie ihre harten Töne mit einem weichem Kern aus. Aber das ist noch nicht alles. Wer sich im multifunktionalen Stammbaum der Künstlerverwandtschaften in Montreal, Kanada zurecht gefunden hat, wird wissen, dass sich Haines auch im Massenkonsortium der Broken Social Scene einen Namen gemacht hat und als lokale Größe gilt. Mit "Knives don't have your back", ihrem zweiten Soloalbum nach 1996 (!), begeht Haines die Wege, die in ihrem bandinternen Umfeld nur selten Durchsetzung fanden.
Leider hat sie sich verlaufen. Wo auch immer sie steckt, man findet sie nicht und mag sie nicht mehr suchen. "Knives don't have your back" ist ein kalter Fisch. Eine Scharade in melancholischer Musik. Ein Schauspiel ohne Herz und Wärme. Die gelungene Pop-Infiltration von "Doctor Blind" und das ergreifende "Crowd surf off a cliff" bilden die letzte erfolgreiche Suche nach Nuancen in einem Kosmos träger und nur langsam vorantreibender Monotonie. Monotonie, die artverwandte Musiker wie Beth Gibbons und Cat Power virtuos zu bearbeiten wissen. Haines versackt in ihr. So zauberhaft der minimalistische Rausch des Keyboards als albumfüllender Hauptdarsteller in "Our hell" zu hören ist, so schnell plätschert er dahin und verwässert in uninspirierten Intervallen.
Beizeiten schmeckt "Knives don't have your back" nach Improvisation, aber schnell wird klar, dass Haines in einer Sackgasse steckt. Ihre Stimme entspringt aus dem Nichts, wispert in entrückter, neben sich stehender Verfassung. Übrig bleibt eine leere Hülle, ein Ideal von Substanz. Denn das, was mystisch und verträumt anklingt, ist eine gleichgültige Wiedergabe von Worten. So lustlos, dass selbst der Respekt vor dem tiefgreifend Getexteten vergeht und erhellende Fragmente nicht mehr wahrgenommen werden. "Detective daughter" bestreitet den Tiefpunkt. Mit dem Deckmantel der Komplexität getarnt, wurden Umschwünge ohne Übergäng kreiert, die nicht von Einfallsreichtum zeugen, sondern von absoluter Ausweglosigkeit. "Knives don't have your back" sprengt Bilder und Assoziationsketten. Erbauliche Metaphern flüchten, die Nüchternheit siegt. Bitte abbrechen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Doctor Blind
- Crowd surf off a cliff
Tracklist
- Our hell
- Doctor Blind
- Crowd surf off a cliff
- Detective daughter
- The lottery
- The maid needs a maid
- Mostly waving
- Reading in bed
- Nothing & nowhere
- The last page
- Winning
Referenzen