Ulme - Dreams of the Earth

Nois-O-Lution / Indigo
VÖ: 15.06.2007
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Masse mal Beschleunigung

Nach drei tonnenschweren, albumgewordenen Bulldozern beendeten sich Ulme Ende der 90er in einer legendären Schlacht selbst. Die Fäuste flogen im Anschluss an ein Konzert, die gesamte, im Ulme-Sound aufgestaute Energie schien sich in einer einzigen, wütenden Supernova zu entladen. Seitdem thronten Ulme wie ein schwarzes Loch über ihrer eigenen Geschichte. Sechs Jahre lang blieben sie das Monument einer die menschliche Phantasie ins absolute Nichts übersteigenden Macht, in deren schier wahnsinnig machender Geschichtslosigkeit keine Informationen mehr haltbar sind und die eigene Herkunft von Grund auf verspottet wird. Ein drohendes Mahnmal, das sich selbst zerschossen hatte und nun wachte und auf das Unmögliche wartete. Nämlich darauf, wiederbelebt zu werden.

2007 ist es soweit. Ulme sind zurück. Nach sporadischen Live-Auftritten und der EP "The glowing", erscheint mit "Dreams of the Earth" eine neue Langrille. Und erzeugt mehr Schaudern und Erregung als es die ebenso unmögliche Rückkehr einer Jean Grey als Dark Phoenix bewirken könnte. Wie schrie sie damals Prof. X ins Gesicht? "I am power!" Kurz bevor sie ausglühte und starb.

Nach wie vor sind auch Ulmes Songs genau das, was man verletzten Wildtieren nachsagt: brandgefährlich und unberechenbar. Sie kriechen voran, krümmen sich durch Raum und Zeit, verenden in letzten Atemzügen. Und treten dann unvermittelt mit voller Wucht zu. Auf "Dreams of the Earth" verschaffen sich Gitarrensoli Kopfnickerfreiraum mit arschkartenverdächtigen Ellbogenchecks. Morst das Schlagzeug S.O.S aus dem Brausen eines magnetischen Supersturms. Brüllt Arne Heesch vollkommen ohne Metal-Machismo oder Emo-Sentiment direkt von des Schöpfers Folterbank, gemeinhin "Leben" genannt. Der Welten- und Seelenfresser, das Schleudertrauma des Noise-Rock hat wieder Fahrt aufgenommen.

"The white hallways", "Amber eyes" und "The artificial God" schlagen zwischen hochkomplexen, im flirrenden Dröhnen sich selbst aufsaugenden Entschleunigungsparts immer wieder mächtig in die Magengegend. Aufkeimender Grunge-Straightness wie in "Trapped in the absurd" und "Leaves are falling" wird spätestens zum zweiten Refrain kochendes Fett ins Gesicht gespuckt. Nach der vor allem rhythmisch sehr schön aufgelösten Ballade "Isa" bricht "Coagulation" jeglichen Anflug von Rührseligkeit mit King-Kong-Klauen geradewegs mittendurch. Den Titelsong können selbst spanische Gitarrenläufe nicht am Amoklauf hindern. "Moonlight" hingegen findet einen verklärten Blick zum Himmel lohnender, als sich in der eigenen Masche zu verfangen. Der Rest ist unbändiges Schreien in einem taub machenden Universum. Musikalische Gravitationswellen, die die Luft zum Atmen und Hören längst nicht mehr brauchen.

Die nach den todgeweihten, kosmischen Kernfusionen übrig gebliebene Masse bedingt das Fortbestehen von Sternen als schwarzes Loch. Ulme haben es geschafft, sich als ein solches nicht nur zu formieren, sondern darüber hinaus weiterhin nach außen zu funken. Sie sind geschichtslos geworden und machen doch weiter. Sie spotten ihrer selbst mit unbändiger Kraft. Sie sind ein newtonsches Licht in schwärzester Dunkelheit, ein Paradoxon am Rande eines wahnsinnig gewordenen, himmlischen Abgrunds. Eine Bestie der Vorstellungskraft. Seit Anbeginn Phoenix ihrer Asche. Unsterblich.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The white hallways
  • Coagulation
  • The artificial God

Tracklist

  1. The white hallways
  2. Trapped in the absurd
  3. Secluded
  4. Leaves are falling
  5. Isa
  6. Coagulation
  7. Dreams of the Earth
  8. The artificial God
  9. Amber eyes
  10. Moonlight
Gesamtspielzeit: 63:05 min

Im Forum kommentieren

Castorp

2013-02-09 16:31:24

Video zu "Dreams of the earth"

Castorp

2013-02-09 16:24:25

Die Nähe zu Bands wie Kyuss ist übrigens unüberhörbar.

Castorp

2013-02-09 16:19:03

6of6
15.06.2007 - 20:37 Uhr
Also der myspace -Song und der vom Visions Sampler gefallen mir prinzipiell sehr gut; aber das hättense besser mal in der blubox aufgenommen. Der Sound ist vergleichsweise recht dünn.

fitzcarraldo
26.06.2007 - 11:47 Uhr
Nach ein paar (viele sind es noch nicht) Durchläufen halte ich die Bewertung für mehr als gerechtfertigt. Und wie gesagt, es wäre schon ein schönes Statement gewesen, das Ganze zum Album der Woche zu machen. Ist einfach ein in sich schlüssiges, wuchtiges und ausnahmslos intensives Hörvergnügen. Außerdem muss irgendwer mal sagen, dass Arne Heesch ein bekackt fantastischer Sänger ist.
Äckso: @6of6: Weiß ja nicht, aber dünn ist für mich dann doch was anderes.


Also dünn ist es sicherlich nicht, aber man ist halt doch vorher verwöhnt gewesen durch den saftigeren, lauteren Blubox-Sound von Großmeister Guido Lucas. An den kommt halt nix heran. :-)

"Dreams of the earth" ist aber trotz des fehlenden WUMMS eine geile Platte mit abartig starken Songs (Leaves are falling, The artificial god, Amber eyes). Mit Guido Lucas wäre das eine sichere 10/10 geworden, so sind es für mich "nur" 8-9/10.

Castorp

2010-06-11 22:12:47

And I hope that one day / all this madness will fade away...

:*-)

Castorp

2010-04-30 21:27:05

Bei "Leaves are falling" möchte man einfach nur weinen...was für ne Melodei!

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