Botanica - The magnetic waltz

Rent A Dog / Al!ve
VÖ: 11.05.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Eine gute Partie

Paul Wallfisch versteht sich eigentlich viel mehr als Poet denn als Musiker. Dass die ersten Zeilen von "The magnetic waltz" da "If a sin ain't a sin you don't need a savior / You won't need God for good to be on your best behavior" lauten, erstaunt nicht wenig, denn ist dieser Wallfisch doch genauso enttäuscht vom, wie auch interessiert am Leben. Dass "Matter of taste" sich auch auf Nick Caves "No more shall we part" ausgezeichnet hätte, ist nur die Fußnote eines wahrlich großartigen Songs. Das in Berlin lebende Quartett vermochte es bereits auf dem Vorgänger "Berlin hi-fi" mit großen Gesten und kleinen Perlen zu verzücken und diese sehr erfreuliche Entwicklung wird nun mit "The magnetic waltz" wie gehabt mit dem bereits fünften Album kontinuierlich fortgesetzt. Sei es Französisch, Deutsch, Englisch, Spanisch oder Weltmännisch, Wallfisch schafft es mit fast jedem seiner elf kleinen Extravaganzen vollends zu überzeugen. Dabei verwundert die Farbenvielfalt nicht im geringsten, hat der Mann doch sein Werk bei den großen Firewater gelernt.

Andererseits ist es auch nicht leicht, solchen Fußstapfen gerecht zu werden. "La valse magnetique", der auf Französisch gesungene Titeltrack, lullt ein, umschmeichelt, greift dann nach der Rose zwischen den Zähnen und rammt sie einem samt der Dornen mitten ins Ohr. Wer solche Kunststückchen vorgemacht hat? Waits! Natürlich, der große Meister aller Brawler und Bawler steht an allen Ecken und Enden Pate, allerdings macht das gar nichts, denn unter wessen Fittichen stünde man schon lieber? "The magneitc waltz" ist alles in allem ausgereifter und knackiger als sein Vorgänger und bahnt sich auch vermehrt die Richtung gen Pop. "Sex offender" ist in etwa genau das, was im Titel beschrieben wird und darf für anspruchsvolle Beischläfer gerne als der neue Stimmungshit dienen. "As long as you're the girl next door / And I'm the guy in college reading Schopenhauer / It won't matter that it says on your ID / That you're a lot older than me."

Die wunderbaren Szenarios, Geschichtchen und Andeutungen, die Wallfisch alle Nase lang streut, zeugen in der Tat von hoher literarischer Kenntnis. Querverweise zu Bukowski paaren sich mit Murakami-Zitaten und zeigen nicht nur bloße orale Untermalung für die wundervoll melancholischen Melodien, die sich der Bandleader nur nach süßen bösen Träumen ausgedacht haben kann. Ganz im Gegenteil, manchmal suhlt sich das Mastermind gar etwas zu viel in sich selbst, seinem Boshaften und Zynismus, sodass man fast meinen könnte, er hätte seiner Band angeordnet, mit dem Spielen aufzuhören, sobald er den Dorian Gray mimt. Und was den für ein Schicksal eingeholt hat, weiß man ja. "With you" hingegen ist lupenreiner Pop, man stelle sich in etwa den Mittelteil eines europäischen Road-Movies vor, einen Wald durch dessen Bäume die vielen Lichtstrahlen hindurchleuchten und die beiden im Auto sitzenden gutaussehenden Liebenden anstrahlen, während vieles zurückbleibt und gegen all das ankämpfen muss, was noch kommt.

Dass man es hier (ausnahmsweise, zugegeben) mit lupenreinem Kitsch zu tun hat? Ja selbstverständlich, nicht einmal vor Backgroundsängerinnen wurde Halt gemacht. Und dennoch: Botanica dürfen das! Denn nur wenige schaffen es ähnlich charmant. "The magnetic waltz" greift einen unsittlich an den Hüften, es spendiert einen Drink nach dem anderen und es zieht sich als erstes aus. "No God will suck your dick / Why you only wanna fight, when you could fuck all night?" Existenzialismus mal anders gesehen. Einverstanden.

(Konstantin Kasakov)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • La valse magnetique
  • Sex offender
  • Warm winter

Tracklist

  1. Matter of taste
  2. Age of irony (Party time)
  3. 3 Women
  4. La valse magnetique
  5. Faith
  6. Sex offender
  7. Carousel
  8. With you
  9. Shira & Safia
  10. Grand central
  11. Warm winter
Gesamtspielzeit: 46:52 min

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