Neurosis - Given to the rising

Neurot / Southern / Cargo
VÖ: 18.05.2007
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schwarzes Loch

Wie drastisch sich die Zeiten und Ansichten in Wissenschaft und Technik ändern können, ist schon manchmal erschreckend. Erst wurden ein paar Zellchen geklont und - schwupps! - wenige Jahre später ganze Pferde reproduziert. Und kaum hat jeder Haushalt einen Internetanschluss, wird die Privatsphäre ad acta gelegt. Auch die Astronomie ist von derartig schnelllebigen Phänomenen betroffen: Kaum wurde der Begriff "Schwarzes Loch" geprägt, werden seit über 20 Jahren mit ziemlicher Regelmäßigkeit neue, tiefere und bedrohlichere schwärzere Löcher entdeckt. Der vermeintliche Höhepunkt war bis dato "The eye of every storm", das vor drei Jahren der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Angeblich so dunkel, düster und gewaltig, dass ganze Galaxien an Gedanken verschlungen werden könnten. Das schwärzeste Schwarz überhaupt.

Doch natürlich ist das alles Panikmache und Übertreibung, weil sich der Mensch gerne mit Verschwörungstheorien und Endzeitvisionen beschäftigt. In Wahrheit sind wir noch meilenweit von Klongesellschaften entfernt. Spionage ist auch mehr selbstverschuldeter Exhibitionismus. Und auch die letzte Veröffentlichung von Neurosis war mit Sicherheit nicht der vertonte Nihilismus in seiner Reinform. Und falls vielleicht doch, haben die Astrowissenschaftler mit "Given to the rising" wieder einmal einen neuen Fund gemacht: rauer, bedrohlicher, gedrückter und tiefer. Ja, mit Sicherheit sogar wirklich düsterer als der Fund zuvor.

Allein schon der einleitende Titeltrack bestätigt die Vermutung, dass es sich hierbei um einen Schritt zurück in frühere, dunklere Zeiten handelt. Abgesehen von schwereren Gitarren und der explosiven finalen Aufwallung sind es vor allem die bedrohlicher klingenden Stimmbänder, die einen in und auf "Given to the rising" förmlich in dieses dunkle Etwas reinziehen. Wie beim kräftigen Sog dieser lichtverschlingenden schwarzen Löcher. Ebenso gefahrvoll schließt sich "Fear and sickness" an, das einem mit dem erbarmungslosem Ende und rücksichtslosem Effektgeschreddere den Weg aus der Falle endgültig von außen verschließt. Von nun versprechend auch sphärisch einleitende "To the wind"-Melodien oder die zurückhaltende Verträumtheit im abschließenden "Origin" keine Rettung mehr. Denn diese beinahe erlösenden Momente werden konsequent durch aussichtslose, doomige Zwischenspiele ("Shadow", "Nine") oder wüste, hypnotische Gitarren ("Hidden faces") zerstört. Der Ernstfall ist da.

Wer also schon denkt, dass durch zwei Klonpferde die Zivilisation in Gefahr ist oder sich zu "The eye of every storm" schon den Strick nehmen wollte, sollte sich diese mehr als eine Stunde währende rohe Dunkelheit keinesfalls zumuten. Speziell dann nicht, wenn die Gesamtatmosphäre durch die natürliche und grobe Produktion besonders intensiv wirkt. Hoffentlich hat das gefräßige schwarze Loch einen guten Tag. Und spuckt den Hörer heil wieder aus.

(Christoph Schwarze)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Given to the rising
  • To the wind
  • Origin

Tracklist

  1. Given to the rising
  2. Fear and sickness
  3. To the wind
  4. At the end of the road
  5. Shadow
  6. Hidden faces
  7. Water is not enough
  8. Distill (Watching the swarm)
  9. Nine
  10. Origin
Gesamtspielzeit: 70:42 min

Im Forum kommentieren

Given To The Rising

2020-04-16 17:36:44

Mein 256er VBR-Leak gefällt mir besser, weil er sauberer und heftiger klingt. Die 320er-Download-Version klingt zu abgehackt und rostig. Vielleicht dadurch tribaler, aber intensitätsärmer.

Given To The Rising

2020-04-16 17:26:24

Jetzt wo ich den Titeltrack nochmal höre, stelle ich fest, dass die Stelle ab 1:24 eine der bewegendsten in ihrer Diskographie ist. Gerade die ruhigen Stellen erzeugen eine unheimliche Atmosphäre.

Autotomate

2020-04-16 16:44:56

Ich wusste ja, dass ich billig bin, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Hab immerhin 3 Dollars dagelassen...

Fiep

2020-04-16 16:06:52

Ah, du hast recht. Da gatte mein hirn wohl nen aussetzer ^^

Besser als die alben danach,
schlechter als die alben davor.

Through Silver in Blood ist auch sehr gut.

Given To The Rising

2020-04-16 16:06:38

Ich wusste ja, dass ich billig bin, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Meine Highlights auf dem Album:
Given To The Rising
To The Wind
Distill
Origin

Für mich ist das Album auf demselben Niveau wie die beiden Vorgänger, vielleicht sogar noch besser als die Eye. Mir persönlich gefällt es auch besser als die aggressive Phase davor und sowieso die Alben danach.

@Fips: At The Well nicht vergessen, Ist besser als all deine genannten.

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