Muff Potter - Steady Fremdkörper
Vertigo / UniversalVÖ: 18.05.2007
Unser Krieg
Eine Nachricht hätte genügt. Und Muff Potter wären auch in den Jugendraum Deiner Gemeinde gekommen. Viele lange Jahre spielte sich die Band die Achseln wund. In Jugendzentren, grauen Kellern und verqualmten Kneipen. Dann kam "Heute wird gewonnen, bitte", und die unerbittliche Rackerei manifestierte sich in einhelligen Lobeshymnen. Muff Potter kristallisierten sich mit Kettcar und Tomte zu den Aushängeschildern der just formierten neuen musikalischen Identität der deutschen Jugend heraus. Kritisch, natürlich befindlichkeitsfixiert, mutig.
Ob nun wegen des sachverständig ausgeklügelten Systems der Songtitel, der whiskeyschweren musikalischen Grundatmosphäre oder gar wegen der cleveren Straßenpoesie: Muff Potter waren vorgedrungen in den Zirkel der Hörer, welche sich ihre Aufmerksamkeit nicht so schnell erspielen lassen. Die Münsteraner hatten die Sympathien durchweg auf ihrer Seite, machten alles richtig. Und auch heuer scheint der Fall geritzt. Nach vierzehnjähriger Bandgeschichte weiß man schließlich, wie der Hase läuft. Heute wird also ein weiteres mal gewonnen? Von wegen.
Viele Dinge zeugen noch immer von den alten und geliebten Muff-Potter-Eigenschaften. Wie seit Jahr und Tag. Dennis bleibt der bessere Sänger, Nagel dafür ein beneidenswerter Wortakrobat. Die Songs sind durch die Bank ordentliche Pfunde, die Texte ein Suhlen in alltäglichen Dramatiken, ein Formulieren der täglichen Kriegsschauplätzen mit anderen und sich selbst. Doch ist "Steady Fremdkörper" selten wirklich aufregend oder zwingend gut. Epochale Momente wie einst "Bis zum Mond" oder auch "100 Kilo" sucht man hier vergeblich. Songs wie "Ich bin doch kein Idiot" oder auch die Single "Fotoautomat" mit immerhin angenehmer Alkaline-Trio-Melodieführung sind für Muff-Potter-Verhältnisse eher Durchschnitt.
Wenn "Das Finkelmann'sche Lachen" eine Interpretation einer Uhlmann-Strophe auspackt, Brami in "Die Guten" mal wieder sein Schlagzeugtalent unter Beweis stellt und "Gestern an der Front" in seiner knapp vierminütigen Dramaturgie zum Melancholie-Schwergewicht reift, ist klar, was man an Muff Potter hat, warum man an dieser Band in seinem Plattenschrank nicht vorbeikommt. Nur, dass man diese Erkenntnis auf "Heute wird gewonnen, bitte" auf dem Silbertablett serviert bekommen hat. Diesmal ist zwar nicht alles Blech. Aber auch nicht alles Gold, was glänzt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Das Finkelmann'sche Lachen
- Das halbvolle Glas des Kulturpessimismus
- Plötzlich tatsächlich
Tracklist
- Ich bin doch kein Idiot
- Das Finkelmann'sche Lachen
- Das sehe ich erst wenn ich's glaube
- Sie tippen wie irre auf Deinen Möbeln
- Das halbvolle Glas des Kulturpessimismus
- Fotoautomat
- Wunschkonzert
- Gestern an der Front
- Die Guten
- Plötzlich tatsächlich
- Steady Fremdkörper
Im Forum kommentieren
Monsieur Umblätterer
2013-08-23 16:39:46
*umblätter*
Muffe
2013-04-04 17:04:54
Selten einen vom Admin höchstpersönlich derart zugespamten Thread gelesen.
Bonanza
2010-08-13 20:40:20
@Lars:
Ein paar Durchgänge solltest du der "Gute Aussicht" vielleicht wirklich noch geben.
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich meinem Vorredner zu 100% Recht gebe, findet man auf dem Album trotz seiner mutwilligen Unterproduktion zahllose liebenswürde Details. Und das schon erwähnte "Eiskunstlauf ohne Ton" ist auch wirklich groß. Ganz groß.
Opaboy
2010-08-13 18:26:25
Die "Gute Aussicht" ist sicher nicht so catchy wie die Alben davor, aber sie haben hier ihren lyrischen Höhepunkt erreicht. Nie zuvor waren sie so wütend, und nie zuvor dabei so poetisch. "...und dein Aufprall wird härter als meiner Sein - Gute Aussicht" als letzte Zeilen auf dem Album...das geht tief.
Sie hätten sich mit keinem Album besser verabschieden können.
Lars
2010-08-13 16:58:33
@ Bonanza:
Ich muss auch gestehen, dass ich das Album bis heute wirklich wenig gehört habe. Die ersten paar Durchgänge habe ich noch mit der typischen Euphorie gehört, welche mit dem Erscheinen einer neuen Muff Potter Platte immer einherging, aber diese wurde durch die Auflösungsbekanntmachung schnell zerstört. Den Rest des Jahres habe ich dann damit verbracht die älteren Alben rauf und runter zu hören, "Gute Aussicht" ist somit schnell in Vergessenheit geraten.
Die zweite Hälfte machte einen recht zerfahrenen Eindruck auf mich, wahrscheinlich sollte ich mir das Teil einfach noch ein paar Mal anhören.
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