Sage Francis - Human the death dance
Epitaph / Anti / SPVVÖ: 04.05.2007
Sprachrohrbruch
Kein Zweifel: Als Stammuser im Plattentests.de-Forum hätte Sage Francis Karriere gemacht. Kann sich irgendjemand einen geeigneteren Feuerwehrmann vorstellen, um captain kidd und ano kalt abzuduschen? Würde Obrac gegen diese Mensch gewordene Wortgewalt in einer Hype-Band-Diskussion länger als zwei Threadseiten durchhalten? Würde Armin nach einer fachmännischen Sage-Zusammenfaltung noch einmal auf die Angebote der Partnershops hinweisen? Würde sich Oliver Ding trauen, in einem Streitgespräch mit diesem Typen das Brot auszupacken? Könnte mr. pink nach einer Francis-Beschwerde jemals wieder ohne Gewissensbisse ein geleaktes Album runterladen? Und hätte irgendein Spambot die Eier, sich weiterhin ins Schwarz-auf-Blaue zu stürzen, wenn er wüsste, dass da schon jemand die Fäuste ballt? Die Antworten erübrigen sich. Hierzuseits wäre Sage Francis Sheriff.
Im HipHop allerdings, wo sich der 30jährige als schlechtes Gewissen zuhause fühlt, ist Francis leider höchstens der Generalsekretär einer ambitionierten, weitgehend machtlosen Splitterpartei. Er ist fähig zur Selbstironie, riecht Zynismus drei Meilen gegen den Wind und sorgt sich tatsächlich um solche Dinge wie die Ursprünge und Zukunftschancen der Rapmusik. Dass es auf seinen Platten bisher meist um das Gleiche ging, sollte man ihm lieber als Beständigkeit, denn als Stagnation auslegen. Solange es mit den Themen, die Francis am Herzen liegen, nicht vorwärts geht, hat es eben keinen Sinn, sich andere Schlachtfelder zu suchen. Sein politisch motivierter Kraftakt "A healthy distrust" war deshalb eher Update als Weiterentwicklung. Die Art und Weise, auf die dabei mit Worten gespielt, der Witz dahinter gesucht und ihre schiere Kraft erkannt wurde, blieb aber weiterhin beispiellos.
"Human the death dance" nun stellt den ersten echten Bruch in Francis’ Arbeit dar, seit er sich vor einigen Jahren aus dem Battle- und Freestyle-Rap verabschiedete, den er bis zuletzt in Metallica-T-Shirts dominiert hatte. Das Intro "Growing pains" spielt Ausschnitte seiner ersten Rap-Versuche ab, die er als Achtjähriger mit einem Kassettenrekorder aufzeichnete, und auch danach geht es auf dieser Platte vor allem um Francis selbst. Die A-Seite verhandelt das Schlechte, was ihm in den letzten zwei Jahren passiert ist; Francis wurde zum Beispiel auf einer UK-Tour zweimal innerhalb einer Woche ausgeraubt. Und die B-Seite widmet sich dem sehr Schlechten; Francis’ Beziehung zu seiner langjährigen Freundin ging auf besonders unerwartete und schmerzhafte Weise zu Ende. Wer sich Popcorn zur Platte machen wollte, kann die Mikrowelle also gleich wieder ausstellen.
Die erste Albumhälfte ist verspielter, belohnender und quillt beinahe über vor sarkastischen Einwürfen. Den Honky-Tonk-HipHop von "Got up this morning" setzt Francis mit Jolie Holland und Mundharmonika um, im potentiellen Aesop-Rock-Track "Clickety clack" lebt er seine Rachefantasien gegenüber jenen Menschen aus, die ihn in England bestohlen haben. Auch die stramme Anti-Sportunterrichts-Brandrede "High step" lebt von ihrer Wut, bevor "Human the death dance" in seiner zweiten Hälfte auf bemerkenswert abgeklärte, unverklärende, musikalisch mitunter leider nur zweckdienliche Art Francis’ Break-Up aufarbeitet. "Water line" dreht sich kurz vom Thema weg, sucht den Sinn hinter der Katrina-Katastrophe und findet mit Harfe und Klavier zumindest den spannendsten Nicht-Beat der Platte. Den Rest treibt ein monotones Schlagzeug und Francis’ beinahe schmerzhafte Offenheit - auch das ist eine Eigenschaft, die noch keinem geschadet hat, der sich im Plattentests.de-Forum zum Horst machen wollte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Got up this morning
- High step
- Water line
- Going back to rehab
Tracklist
- Growing pains
- Underground for dummies
- Civil disobedience
- Got up this morning
- Good fashion
- Clickety clack
- Midgets and giants
- Broccoli break
- High step
- Keep moving
- Water line
- Black out on white night
- Hell of a year
- Call me Francois
- Hoofprints in the sand
- Going back to rehab
Referenzen
Spotify
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