The Race - Be your alibi

Shifty Disco / Rough Trade
VÖ: 27.04.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Vergiss mein nicht

Plötzlich spüren wir den Fluch einer immer undurchsichtiger werdenden Musikwelt. Auch wenn das Myspace-Geballer oder die Youtube-Welt die Suche nach dem neuen, heissen Scheiß um einiges bequemer gemacht hat. Die Grenzen der Jeder-ist-vernetzt-Ära mit Web 2.0 werden immer wieder sichtbar. Wirklich leicht war es nie den Überblick zu behalten, erst recht nicht im so genannten Indie Bereich. Vieles geht ungehört an einem vorbei. Es gibt ja die Rubrik "Vergessene Perlen" am Ende des Jahres. Doch wenn sogar das immer bestens informierte Plattentests.de-Forum einige Bands nicht mal in einem Nebensatz erwähnt, kann einem schon bange werden. Vor allem, wenn es sich um so ein Schmuckstück wie das Album "Be your alibi" der britischen Band The Race handelt.

Zugegeben! Es gab mehrere Faktoren, die dieses Versäumnis zum Teil rechtfertigen könnten. Der böse Artikel im Bandnamen mag einen zwar nicht mehr schocken, aber die ellenlange The-Reihe im Plattenladen des Vertrauens nervt trotzdem. Vielleicht liegt es auch an der Heimat der vier-Männchen-plus-ein-Weibchen-Band: Der musikalische Wundervulkan England hat in den letzten Jahren so viele gute Bands und Platten ausgespuckt, dass man sich zuweilen ein zusätzliches Hörorgan wünschte. Und auch solche, bei denen schon die bestehenden Ohren zu viele waren.

The Race rütteln einen jedoch gleich in den ersten Sekunden aus musikalischer Lethargie und Rockröschenschlaf. Das 2004 im englischen Reading geformte Quintett lässt das Kalkül der "Don't believe the hype"-Industrie hinter sich. Der eigene Soundmotor wird mit einem Röcheln angeschmissen, Sänger Daniel Buchanan beendet nach 20 Sekunden die Noiseattacke, spurtet mit einer betörenden Melodie durch den ersten Song "Find out" und setzt gleich zu Beginn ein Ausrufezeichen. Mit Vollgas drehen sich The Race weiter durchs schwitzige "Go figure" und das getunte "Comfort, comfort", tanken glockenspielenden Kraftstoff im Laut-Leise-Spiel "When it falls", um in "Tom song" Bloc Partys Debütalbum "Silent alarm" zu würdigen.

Überhaupt scheinen die Londoner um Kele Okereke Brüder im Geiste zu sein. Die ineinander verwobenen "Research" und "Raising children" hätten mit ihrem energetischem Übergang von kreischenden Gitarren, ausgefeilten Synthies und mehrstimmigen Gesang auch auf "A weekend in the city" ihren Platz gefunden. Die Zweitstimme von Jessica Del Rio sorgt an vielen Stellen für eine gelungene, progressive Arcade-Fire-Alternative. Sänger Daniel Buchanan ist dagegen ein zur Stimme gewordenes, wütendes Chamäleon. Je nach Bedarf säuselt, würgt, hustet und rockt er wie Kele Okereke, Robert Smith oder Chris Martin - wenn letzter würgen, husten und rocken würde, jedenfalls.

The Race sind ein kleines Wunder. Mit einer Selbstverständlichkeit zwirbeln sie musikalische Innovationen zusammen und zaubern daraus einen kraftvollen Flickenteppich. Vieles klingt bekannt, mindert dabei doch keineswegs den Reiz, sondern unterstreicht ihn doppelt mit fettem Filzstift. "Be your alibi" ist ein 42 Minuten langes, ausuferndes Statement, mit zum Himmel schreienden Melodien und eines der bislang besten Debütalben 2007. Beinahe hätten wir es verpasst.

(Steffen Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Find out
  • Tom song
  • Raising children
  • They're not always right

Tracklist

  1. Find out
  2. Go figure
  3. Comfort, comfort
  4. When it falls
  5. Tom song
  6. Research
  7. Raising children
  8. So young and beautiful
  9. Smile
  10. Amersham road
  11. Wash out
  12. They're not always right
Gesamtspielzeit: 42:23 min

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