Dÿse - Dÿse
Exile On Mainstream / Southern / SoulfoodVÖ: 30.03.2007
Orthografitti
Was für eine Höllenmaschine! Der Blick des erstaunten Betrachters fällt auf einen gigantischen Fleischwolf, der auch bei den ganz großen, ganz schweren und ganz harten Brocken nicht schlapp macht. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass es sich hierbei vermutlich um genau das Gerät handelt, das Harmful schon seit vielen Jahren nicht mehr benutzen. Ganz früher haben die drei aus Dietzenbach da mal Sounds von Prong und Helmet durchgedreht und ordentlichen Lärm produziert. Heute hingegen werden sie selbst gemeinsam mit Kyuss, frühen Blackmail und etlichen anderen wohlklingenden Referenzen durch die Schnecke gejagt. An der Kurbel stehen, wahnsinnig grinsend und mit gehetzt-irrem Blick, Dÿse aus Thüringen.
Wahrscheinlich hatte Altkanzler Kohl etwas anderes im Sinn, als er von blühenden Landschaften im Osten fabulierte. Trotzdem muss man anerkennen, dass der alte Oggersheimer zumindest für die musikalische Subkultur wohl doch nicht zu viel versprochen hat: Dÿse ist eine Pflanze, die wahrhaft seltsame Blüten treibt. Die beiden Jungs machen zuallererst mal Krach, und daran haben sie deutlich vernehmbar jede Menge Spaß. Doch es ist mehr als nur Noiserock alter Schule, der sich da in den Gehörgang sägt und kaum glauben läßt, dass die Städte Troisdorf und Koblenz wirklich gar nichts mit dieser Platte zu tun haben. Schließlich hatten Guido Lucas und das bluNoise-Label bisher eigentlich so etwas wie das Alleinvertretungsrecht für sperrigen Krach aus Deutschland. "Dÿse" aber erscheint auf dem Berliner Label Exile On Mainstream, das bislang vor allem durch meist geschmackssicher ausgewählten Stoner- und Underdog-Rock aufgefallen ist.
Auf den zweiten Blick wirkt genau diese Labelwahl gar nicht mehr so überraschend. Denn zum einen hört der Chef des Labels auf den Spitznamen Kanzler. Und zum anderen weben Dÿse in ihre dichte Klangteppiche ein paar rote Fäden ein, die sich zumindest teilweise bis ins Sky Valley verfolgen lassen. Dabei bekommen die Riffs, die auch ein junger Josh Homme hätte spielen können (und zum Teil auch gespielt hat) einen Hauch von Punk verpasst. Das hat in diesen Fall allerdings nichts mit hohlem 1-2-3-4-Geholze zu tun, sondern eher mit einer Geisteshaltung. Dÿse verhält sich zu Stoner-Rock wie Punkrock zu klassischem Rock'n'Roll. Oder so ähnlich.
Je weiter man sich vortastet, um die Einzigartigkeit von "Dÿse" zu beschreiben, je mehr man versucht das zu erwischen, was dieses Duo von anderen Noiserockkapellen unterscheidet, desto mehr verstrickt man sich in Absurditäten und Ungereimtheiten. Wo der Leser beim Zusammentreffen von Punk und Stoner an Nick Oliveris Mondo Generator denken will, liegen frühe Tool viel näher. Wo Soundexperimente den Schmerz immer weiter steigern, lassen hypnotische Melodien den Hörer gleichzeitig immer weiter in einen watteweichen Ozean aus Energie sinken. Hemmungslos treibende Drums, wüstes Eindreschen auf eine schon winselnde Gitarre am Rande des Nervenzusammenbruchs und ein Sänger, der nur immer wieder in hysterischem Ruf-mich-an-Stakkato "Mann aus Gold" kreischt, ergeben ein irgendwie doch Rundes Stück Musik, das eine zwar eigenwillige, aber dennoch echte Schönheit besitzt. Das kann man nicht beschreiben. Das muss man hören. Am besten sehr, sehr laut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Zwarte Pieten
- Mann aus Gold
- Wokkk
- Wolke
Tracklist
- Underlay disk
- Zwarte Pieten
- Monster man
- Mann aus Gold
- Rhythmus
- Doc code
- Wokkk
- Wolke
Im Forum kommentieren
pounzer
2021-09-17 18:56:36
"Warum finden die hier eigentlich so wenig statt?"
Wohl weil es hier noch nen anderen Thread gibt: https://www.plattentests.de/forum.php?topic=18773&seite=1
Klaus
2021-09-17 18:42:04
"Warum finden die hier eigentlich so wenig statt?"
Kenne die, auch ca. 10 mal live gesehen. :)
Glufke
2021-09-17 17:23:33
Ja, schwer zu finden sind sie auf jeden Fall...
Gerade auf der Autobahn durch gehört und mich gefragt: Warum fand ich die nicht schon vorher gut?! Hab ich die vielleicht immer zu leise gehört?
Würde der Scheibe gerade locker 8/10 Punkten geben, "Alles ist meins" wird sicher einer meiner Songs des Jahres. "Höllenjunge", "89/90" und "Ich allein gegen euch alle" aber auch alle saustark. Und ich liebe den Plattentitel!
Robert G. Blume
2021-09-17 17:09:32
Warum finden die hier eigentlich so wenig statt?
Heute ist nach 7 Jahren endlich das Album Widergeburt erschienen – und keinen interessierts? Oder sind sie nur so schwer in der Suche zu finden?
Ox 72
2016-09-29 10:26:30
Single Compilation ist erschienen.
Die 3 Alben sind alle klasse.
Schwer zu finden hier, aufgrund der Schreibweise.
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