Unsane - Visqueen
Ipecac / SoulfoodVÖ: 05.04.2007
Blutgerinnsel
Bisher gab es kaum etwas, was sich vor den Blutorgien auf Unsane-Albumcovern wirklich sicher wähnen durfte. Ob Kühlerhauben, Badewannen, Duschkabinen, Kopfkissen, Skateboards oder Brückenpfeiler - all das erstarrte schon in Fontänen aus schmuddelig-rostigem Hämoglobin. Auf der Front von "Visqueen", Album Nummer zwei nach ihrem Comeback mit "Blood run", lümmelt sich nun ein in lebenssaftverschmierter Plastikplane verpackter Körper in seinem traurigen Schicksal. Und macht so bereits auf den ersten Blick klar: Unsane bleiben auch auf ihrem siebtem Album die missgelauntesten Nachtreter der Musikgeschichte. Und damit ihrem Schrei treu.
Hat man die ersten Attacken von "Visqueen" mit "Against the grain" und "Last man standing" hinter sich gebracht, so bestätigt sich dieser Eindruck recht schnell auch musikalisch. Sänger/Gitarrist Chris Spencer nimmt die Welt nach wie vor durch seine Spucke und Blutfäden gurgelnden Stimmbänder extremverzerrt wahr. Und Vinnie Signorelli und Dave Curren bringen seinen Kompositionen wieder pflichtbewusst das Kopfnicken bei. Spätestens mit "Total destruction" sind Unsane so zu den vielleicht einflussreichsten Krachlatten des Noiserock geworden, ohne die es Breach und jüngst Todd, oder auch die heimischen Ulme, in dieser Form bestimmt nicht gegeben hätte.
Dabei zerrten Unsane stets auch derart an Verstand und Kondition, dass man seinen Kopf nach einer Überdosis nur noch halt- und planlos durch die Flure diverser Psychiatrien schwenken durfte. Auf "Visqueen" wissen sie nun jedoch ein vielleicht erstes Mal mit ihren Bösartigkeiten und der geistigen Unversehrtheit ihrer Zuhörer etwas hauszuhalten. So nimmt sich "This stops at the river" im Wummsfaktor zwar nicht eben zurück, strickt aber doch einen Jesus-Lizard-Slide auf der Gitarre und eine Mundharmonika mit ein, sodass außer der rohen Energie doch noch etwas zum Gedankenfreischütteln bleibt. "Windshield" und "Disdain" schreiten mit wundgescheuertem Bass die Versehrtenkompanien ganz ähnlicher Schlachtfelder ab, während "No one" den hektischen Beat des Ultra-Klassikers "Vandal-X" imitiert und "Line on the wall" sein Stop-And-Go gleich zu Beginn mit den so typischen Quietschsoli überlistet. Hier präsentiert "Visqueen" in der Tat so einiges, um dem ewigen Blutrausch in Hirnwindungen und Nackenmuskulatur kurzweilig zu entkommen.
"East Broadway" hingegen ist wieder das pure, hinterfotzige Böse, wie es wohl nur Unsane beschwören können. Nämlich ganz ohne Satan, alberne Gebärden oder sonst irgendwelchen Mummenschanz. Stattdessen ein ultraschweres, schmutziges Riff, ein Beat, der es in seiner stoischen Kaltblütigkeit wirklich bitterernst meint, sowie jammernde Sirenen und riesige Turbinen, die im Hintergrund Knochen zermahlen - fertig ist ein Song, der zu schlechter Letzt nur noch an sich selbst kaputt gehen kann. Live wird das Ganze dann wieder geradezu markerschütternd sein. Also bitte jetzt schon mal die Knie warmschlottern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- This stops at the river
- No one
- Disdain
- East Broadway
Tracklist
- Against the grain
- Last man standing
- This stops at the river
- Only pain
- No one
- Windshield
- Shooting clay
- Line on the wall
- Disdain
- Eat crow
- East Broadway
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Khanatist
2007-09-27 14:20:55
Indii (23.09.2007 - 01:12 Uhr):
Außerdem war ich zu dem Zeitpunkt auch etwas angenervt, weil sich alles verschoben hatte und es für mein Gefühl ein wenig zu spät wurde.
Willkommen im Hafenklang! Wenn man großes Glück hat, zaubern die einem 2-3 wirklich passende und gelungene Vorbands wie aus dem Nichts vor die Nase, wenn man großes Pech hat, darf man sich einige Stunden bis in die Nacht hinein ärgern, ehe man die einzige interessante Band des Abends sehen will. Kann ich gut nachvollziehen. Nur bitte nicht den Frust an Dÿse auslassen ;) Sieht man sich die Reaktionen auf diesem Mitschnitt vom ZXZW Festival am selben Wochenende an, scheint es mit den Germanen auch außerhalb zu klappen :)
TTT
2007-09-23 20:59:43
das konzert in köln hat mir sehr gut gefallen, (gottseidank)nur eine vorband (flu.id), und unsane waren doch recht entspannt und schüttelten ein dreckiges bluesriff nach dem anderen aus dem ärmel, die mundharmonika kam auch zum einsatz, und nach jedem drittem song wurde das mützchen ausgewrungen, also spass bis zum umfallen!
Indii
2007-09-23 01:12:52
Du hast natürlich insofern Recht, als dass ich wirklich nur von dem einen Auftritt sprechen kann. Auf Platte hab ich die Band noch nicht gehört. Außerdem war ich zu dem Zeitpunkt auch etwas angenervt, weil sich alles verschoben hatte und es für mein Gefühl ein wenig zu spät wurde. Unvoreingenommen war ich also keinesfalls.
Vielleicht ergibt sich ja noch die Möglichkeit, einen besseren Eindruck von Dyse zu bekommen. Volt kenn ich bisher nicht, werde ich mir aber auch mal anhören. Danke für den Tipp.
messiah
2007-09-22 20:14:46
hm, vielleicht hatte sie auch einen schlechtent tag.
aber, es funktioniert sowohl zu zweit - als auch auf platte. und ich konnte dyse dieses jahr schon zweimal in einem winzigen club erleben und wenn das keín noise war - dann weiß ich auch nicht. das mit der eintönigkeit sollte man vielleicht auch mal bei unsane ansprechen ;) nö, im ernst - ja, es ist subjektives empfinden - aber einmal hören, und behaupten es wäre eintönig.. vielleicht war es ja auch zu komplex für dich.. hehe
das es "auf unangenehme weise deutsch klingt" ist natürlich ein totschlagargument. soweit ich weiß, touren die herrschaften auch erfolgreich in großbritannien - vielleicht gerade weil sie "deutsch" oder eben einfach eigenständig sind.
vielleicht auch mal die band volt antesten - dort singt auch der dysesänger - falls du, was man ja von einem unsane fan annehmen sollte, ein faible für frühneunziger amphetamine, relapse noiserock hast, wird dir das gefallen.
ach, das mit den halben hemden - geschenkt.
Indii
2007-09-22 19:01:28
Naja, das ist natürlich Geschmackssache, aber dieses bemühte Schreien hat mich echt genervt. Außerdem funktioniert das irgendwie nicht, dass die nur zu zweit sind. Bis auf einige Augenblicke regierte die Eintönigkeit. Insgesamt klang das alles auf eine ganz unangenehme Weise "deutsch".
Und schließlich ist es ja wohl albern, ein halbes Hemd zu tragen, genauso wie es albern ist, eine Mütze mit Hamsterohren überzuziehen (das war der Drummer von Fluid).
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