Kante - Kante plays Rhythmus Berlin

Labels / EMI
VÖ: 09.03.2007
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Freizeit Revue

Es gilt ja gemeinhin noch immer als Charakterschwäche, wenn man jeden Scheiß mitmacht und scheinbar unfähig ist, zu irgendetwas "Nein" zu sagen. Bei Kante-Sänger Peter Thiessen kann aber davon freilich keine Rede sein. Bei ihm sollte man das lieber mal so sehen: Wenn immer alles klappt, warum sollte er dann nicht auch alles ausprobieren? Kante klingen mit jedem Album wie eine neue Band. Zuletzt war da ja die ominöse Elefantenhochzeit von Queens Of The Stone Age und Chicago auf "Die Tiere sind unruhig". Und jetzt, wo kaum ein halbes Jahr vergangen ist? Hat sich der Thiessen auch noch eine Revue aufschwätzen lassen. Erst sollten es nur die Texte sein, am Ende wurden es doch wieder ein paar Songs, sogar fürs Orchester. Man weiß ja, wie das läuft.

"Rhythmus Berlin" wird seit dem zweiten März im Friedrichspalast gespielt, es zeigt in 24 Szenen 24 Hauptstadtstunden, und es ist überhaupt kein Problem, dass viele der Texte dazu von einem "Hamburger-Schule-Typ" (Thiessen über Thiessen) stammen. Erstens haben Kante ohnehin einen ordentlichen Anteil des vergangenen Jahres in Berlin verbracht, zweitens muss man kein Staubsauger sein, um über einen zu schreiben, und drittens ist Berlin sowieso "nicht so sehr eine Stadt, aus der man kommt, sondern eine, in die man geht" (Thiessen schon wieder). Als das geklärt war, nahmen Kante zu einigen der Texte auch noch neue Lieder auf, weitgehend live, ohne großes Rumgeprobe vorher. Zehn Tage, dann war alles fertig. Klingt jetzt natürlich viel bescheidender als das Ergebnis.

Während man anfangs von verschobener Percussion und wirren Spoken-Word-Fetzen eingekreist wird und sich schon wundern will, ob dieses "Rhythmus Berlin"-Ding irgendeine Kunstkacke (oder noch gemeiner: ein Thomas-D-Soloprojekt) ist, schleicht sich hintenrum schon der richtige Song an, verschmilzt mit all dem Gekessel und beantwortet eine ganz andere Frage, die man sich gar nicht zu stellen getraut hatte: "Kante plays Rhythmus Berlin" funktioniert durchaus als richtiges neues Kante-Album, steht im Sound gar nicht so weit weg von "Die Tiere sind unruhig" und nutzt seine zwanglose Entstehung höchstens dahingehend aus, dass es noch unverschämter durch die Musikgeschichte tobt. Country, Chanson, Balladen, Beatles, Rock. Man muss scheinbar nur dran denken, und Thiessen schreibt es dann.

Statt der kleinen Orchesterbesetzung vom letzten Album zu folgen, probieren Kante außerdem einige neue Sachen aus, spielen mit Melodica, Akkordeon, Mundharmonika und Kastagnetten herum. "Kante plays Rhythmus Berlin" ist aber trotzdem zuerst ein Gitarrenalbum, offen für alle Formen und Farben. In "Die Stadt verwischt die Spuren" verkleckern sie quirlige Crazy-Horse-Soli, in "Du hältst das Fieber wach" wimmern und schwabbeln sie selig, dem lustigen "Die alten Gespenster" jubeln sie einen verzwickten Beatles-Twist unter. Humor hat man ja bei Kante nie ausschließen dürfen, so offensichtlich wie in diesem windschiefen Grinser hat es ihn aber auch noch nicht gegeben. Thiessens Gesang macht den Song tatsächlich zur Revue-Nummer, Heinz Rühmann ist nicht mehr weit, und trotzdem rutscht das alles nie ins Parodistische ab. Es ist eben gar nicht so einfach für Kante, im Moment überhaupt etwas falsch zu machen.

(Daniel Gerhardt)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Die Stadt verwischt die Spuren
  • Die alten Gespenster
  • Wer hier her kommt will vor die Tür

Tracklist

  1. Der Rhythmus einer großen Stadt (Prolog)
  2. Die Stadt verwischt die Spuren
  3. Du hältst das Fieber wach
  4. Trotz all der Zeit
  5. Die alten Gespenster
  6. Ich schlag nicht mehr im selben Takt
  7. Wer hier her kommt will vor die Tür
  8. Die große alte neue Stadt (Epilog)
Gesamtspielzeit: 37:47 min

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum