Malcolm Middleton - A brighter beat
Fulltime Hobby / PIAS / Rough TradeVÖ: 23.02.2007
Das Streben nach Glück
Seine Seele war immer schon eine Litfaßsäule, der Brustkorb davor sowieso durchsichtig. Malcolm Middletons Hang zu den großen Themen, zum Plakativen, war stets offensichtlich, wurde nie abgestritten. Es ging schon bei Arab Strap beinahe ausschließlich um Glück und das zugehörige Präfix "Un-". Seit 2003 und seiner ersten Soloplatte "5:14 Fluoxytine seagull alcohol John nicotine" konnte Middleton dieses dringendste aller Anliegen aber zunehmend auf die eigenen Erfahrungen zuschneiden und zur regelrechten Selbstzerfleischung ausgestalten. "Into the woods" war da zuletzt der Gipfel, ein pseudobeschwingtes, textlich zutiefst zynisches und selbstschonungsloses Album. Danach haben Arab Strap noch eine überraschend versöhnliche Platte gemacht - Middleton spielte dabei angeblich nur widerwillig mit - und sich im letzten Jahr schließlich aufgelöst. Im Hinblick auf die Zukunft? Nicht eben beruhigendes Vorwissen.
Von Albumtiteln wie "A brighter beat" oder süßem Artwork mit Schmusedecke und bemalten Luftballons lassen sich erfahrene Middleton-Verfolger natürlich längst nicht mehr in die Irre führen. "Popmusik für Menschen, die Popmusik hassen" war (wie immer) das erklärte Ziel, auch Middletons Selbsterkenntnisse, dass es nicht Cleveres, Verstecktes oder Politisches in diesen Songs gebe, könnte für seinen gesamten Backkatalog gelten. Dass die Gitarren etwas garstiger sind, der Umgangston aber gleichzeitig sanfter geworden ist, dass Streicher und Bläser zeitweise aus ihren Nebenrollen herausdrängen, und dass weniger gezetert, seltener gemeckert wird - das alles muss man sich schon selbst zusammenreimen.
Keine Middleton-Platte hat sich bisher mehr aufgeladen, nie standen seine Bemühungen um Vielseitigkeit offensichtlicher im Mittelpunkt als auf "A brighter beat". Es gibt hier den Song "Somebody loves you", nur mit Gitarre begleitet, den man in einen Blumentopf stecken und auf Elliott Smiths Grab stellen sollte. Mit dem beschwipst schwingenden "Fuck it, I love you" mutmaßt Middleton einmal mehr, wie Badly Drawn Boy ohne Familienglück klingen könnte. "We're all going to die" tut was gegen den Bierbauch, trägt seine fatalistischen Botschaften mit nervöser Gitarre und nervös machender Beruhigungsstimme vor. Der Unheilverkünder "Death love depression love death" beginnt dann erst ganz zutraulich, gerät aber schnell zwischen verhärtete Gitarre- und Schlagzeugfronten. Das Mogwai-Studio, der Mogwai-Produzent, langsam dämmert es einem.
Middleton ist dabei noch etwas unsicher mit den neuen Vokabeln, sichtlich bemüht darum, sich an seine komplexer gewordene Ausdruckssprache zu gewöhnen. Die filmreifen Fanfaren im großen Abschiedsdrama "Superhero songwriters" wirken bemüht pompös, die angehängte Coda funktioniert dafür umso eindringlicher. Die subtiler aufgebauten Stücke - "Stay close sit tight" mit rührendem Refrain und alter Resignation oder das vorsichtig euphorische "Up late at night again" - scheinen indes jetzt schon maßgeschneidert für den Mann, der früher nie viel mit Präzision anfangen konnte. Auch deshalb muss man sich keine Sorgen um Malcolm Middleton im Jahr eins nach Arab Strap machen. Der Protagonist neigt ja ohnehin dazu, das lieber selbst zu übernehmen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Death love depression love death
- Stay close sit tight
- Up late at night again
- Superhero songwriters
Tracklist
- We're all going to die
- Fight like the night
- A brighter beat
- Death love depression love death
- Fuck it, I love you
- Stay close sit tight
- Four cigarettes
- Somebody loves you
- Up late at night again
- Superhero songwriters
Im Forum kommentieren
quincy
2007-02-28 10:14:18
8/10 für das Album. Danke, Herr Middleton.
eric
2007-02-27 12:06:23
Kenne bislang auch nur den Vorgänger. War sehr nett! Das neue steht aber bereits im Laden, japp.
Obrac
2007-02-27 11:30:25
Ich hab das neue Album erst ein, zweimal gehört und kann noch nicht so viel dazu sagen. Der Vorgänger war jedoch schon recht toll. Ne 7/10 traue ich der neuen aber mindestens zu.
quincy
2007-02-27 10:47:10
Hallelujah, komplett verpennt. Danke für den Hinweis, Obrac. 6/10? "Middleton ist dabei noch etwas unsicher mit den neuen Vokabeln, sichtlich bemüht darum, sich an seine komplexer gewordene Ausdruckssprache zu gewöhnen. Die filmreifen Fanfaren im großen Abschiedsdrama "Superhero songwriters" wirken bemüht pompös, die angehängte Coda funktioniert dafür umso eindringlicher"?
Na, ich weiß nicht, lieber Daniel, bitte nochmal hören...
Obrac
2007-02-27 10:37:54
Da scheint es schon den einen oder anderen zu geben, der das weiß ;)
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